Schweizer Quantensprung
Ein langer Atem zahlt sich aus - zumindest wenn es um nationale Vorentscheidungen geht. Nach fünf Jahren "Die große Entscheidungsshow" ist das Vorauswahlformat des Schweizer Fernsehens endlich im 21. Jahrhundert angekommen: Sechs zeitgemäße und hervorragend vorgetragene Songs, ein schönes Bühnenbild und eine professionelle Kameraführung machten die hausbackenen (und nur mäßig erfolgreichen) Anfänge des Formats völlig vergessen. Auch die Idee, die Künstler nach dem Vortrag ihres Wettbewerbsbeitrags noch einen zweiten Titel nach Wahl vortragen zu lassen, wirkte in diesem musikalischen Umfeld nicht wie sonst peinlich und überflüssig, sondern erlaubte dem Publikum, sich ein umfassenderes Bild von der Bühnenpräsenz der Sänger zu machen. Das unerwartet gute Abschneiden von Sebalter in Kopenhagen scheint in der schweizerischen Kreativszene eine Initialzündung ausgelöst zu haben.
Glatter Sieg
Schade zwar, dass keiner der Finalbeiträge in einer der vier Schweizer Landessprachen gesungen wurde, aber angesichts des durchweg in akzentfreiem Englisch vorgetragenen Angebots fiel dies nicht sonderlich ins Gewicht. An der Wertungsdramaturgie ließe sich allerdings noch ein wenig feilen: Die Verkündung, dass Mélanie René von Jury und Publikum die meisten Stimmen erhalten hatte, fiel relativ unspektakulär aus. Das lag vielleicht auch daran, dass die 24-jährige Sängerin, die ihren Titel "Time To Shine" selbst geschrieben hat, eine so tadellose Performance hinlegte, dass an ihrem Sieg von Anfang an kaum ein Zweifel bestand. Beim zweiten Halbfinale in Wien dürfte die Sache nicht ganz so klar liegen, dafür bewegt sich die düstere R’n’B-Ballade thematisch zu nah an "Rise Like A Phoenix" von Conchita Wurst und ist stimmlich zu glatt, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben. Schade drum.