Beatles bis Harry Styles: Großbritanniens erfolgreiche Musikgeschichte
Die Beatles und die Rolling Stones, Take That und die Spice Girls, David Bowie, Elton John, Adele oder Harry Styles: Die britische Musikszene hat zahllose Superstars hervorgebracht.
Ein kurzer Überblick über die britische Musikgeschichte ist nahezu unmöglich, daher seien an dieser Stelle auch nur einige berühmte Vertreter ihrer Genres genannt. Das Vereinigte Königreich gilt als Mutterland des Pop und dominiert - neben den USA - seit vielen Jahren die internationale Musikszene. Popmusik vom europäischen Festland dagegen wird von den Briten meist gar nicht wahrgenommen und verirrt sich nur selten in die dortigen Charts. Dabei ist die britische Musik ein multikulturelles Phänomen, das aus einer Vielzahl unterschiedlichster Einflüsse hervorgegangen ist.
Keltisches Erbe und Ballad Opera
Die britischen Inseln lösten sich vor etwa 9.000 Jahren durch Anstieg des Meeresspiegels vom europäischen Festland. Das ursprünglich keltisch besiedelte England wurde zunächst von den Römern, später von Sachsen, Wikingern und Normannen erobert und kulturell geprägt. In den übrigen Landesteilen Wales, Schottland und (Nord-)Irland, die ab dem 16. Jahrhundert nach und nach in das Königreich eingegliedert wurden, blieb das keltische Erbe jedoch in vielen volksmusikalischen Traditionen erhalten. Nachdem die höfische Musik durch die wechselvolle Geschichte des Landes im 17. Jahrhundert erst wieder den Anschluss an die musikalischen Entwicklungen auf dem Festland finden musste, entstanden im 18. Jahrhundert als Protest gegen die fremdsprachigen italienischen Opern die sogenannten Ballad Operas. Mit ihren volkstümlichen Melodien und satirischen Texten fanden sie ein breites Publikum.
Industrielle und musikalische Revolution in Großbritannien
Die klassische Musik erlebte erst im 19. Jahrhundert ihre Blütezeit im Vereinigten Königreich. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Land durch die industrielle Revolution bereits stark verändert: In den Städten war eine breite Arbeiterschicht entstanden, Fabrikbesitzer und Geschäftsleute dagegen waren in einen neuen Mittelstand aufgestiegen, der neben dem Adel auch musikalisch seinen Platz suchte. Er fand ihn in den seit 1850 entstandenen Music Halls und Varietétheatern, die ihr Unterhaltungsrepertoire um immer neue Lieder erweitern mussten und so ein eigenes musikalisches Genre begründeten. Unangefochtener Superstar dieser Ära war Marie Lloyd, die sogar durch Frankreich, Belgien, Amerika und Australien tourte. Für die Arbeiter kamen derartige musikalische Vergnügungen allerdings nicht infrage. Sie sangen in den Pausen ihre Industrial Work Songs im Rhythmus der Dampfmaschinen als frühe Form des Protestlieds. Wer es sich leisten konnte, musizierte in einer der zahlreichen Brass Bands, die den Zusammenhalt unter den Arbeitern förderten.
Stars der Sixties: Beatles und Rolling Stones
Jazz und Ragtime aus den USA machten den Liedern der Music Halls nach dem Ersten Weltkrieg massiv Konkurrenz. Der Skiffle, eine Spielart dieser amerikanischen Importmusik, die mit Gitarre, Banjo, Waschbrett und Teekistenbass gespielt wird, wurde dann in den 1950er-Jahren zum ersten typisch britischen Popmusikphänomen. Das zweite entstand in Liverpool. Die von Arbeitslosigkeit und gesellschaftlicher Enge frustrierte Jugend der Stadt suchte im Rock'n'Roll eine Möglichkeit, ihrem tristen Alltag zu entfliehen und improvisierte eine neue Musikrichtung mit einfachem, durchgängigem Rhythmus: den Beat. Seinen Siegeszug nahm das neue Genre dann in den 1960er-Jahren mit den Beatles. Die Fab Four eroberten auch das US-amerikanische Publikum im Sturm. 55 Jahre waren sie mit 29 Top-5-Hits in den amerikanischen Billboard-Hot-100-Charts vertreten, bis dieser Rekord im August 2022 von Rapper Drake eingestellt wurde. Ihr Erfolg ebnete auch weiteren britischen Bands wie den Rolling Stones den Weg. Mit dieser "British Invasion" war die Vormacht der USA auf dem Unterhaltungsmusikmarkt gebrochen.
Glam und Glitzer halten Einzug in die Charts
Ab diesem Zeitpunkt gab es kein Halten mehr: Die britische Musikszene sprühte vor Kreativität und entwickelte aus den musikalischen Vorlagen der Amerikaner eine endlose Vielzahl eigenständiger Genres. In den frühen 1970er-Jahren wurde aus Rockmusik, Glitzerkostümen und wilden Bühnenshows der Glam Rock gezaubert. Bekannteste britische Vertreter dieser Zeit sind Queen, T. Rex, Slade oder Sweet. Vom Glam beeinflusst waren auch Roxie Music mit Brian Ferry und Brian Eno, Elton John und allen voran David Bowie. Psychedelisch und progressiv wurde es in dieser Zeit beispielsweise mit Pink Floyd und Genesis.
Punk als Ausdruck des Protests
Die britische Klassengesellschaft bot den idealen Nährboden für die Punkbewegung, aus der sich zunächst Mitte der 1970er-Jahr der Punk Rock entwickelte. Die Sex Pistols und The Clash zählten zu den lautesten Stimmen gegen das Establishment. Aus der Post-Punk-Ära entstand Ende des Jahrzehnts der New Wave. Bands wie The Cure, Joy Division, New Order oder Siouxsie and the Banshees prägten mit ihrer Musik eine ganze Generation von New Romantics, Goths oder Dark Wavern. Die frühen 1980er-Jahre brachten den USA dann die "Second British Invasion" durch New-Romantic-Bands wie Culture Club, Spandau Ballet oder Duran Duran, die bis heute als Ikonen dieses Musikjahrzehnts gelten.
Britische Exportschlager: Take That, Spice Girls und Oasis
In die 1990er-Jahre fällt die "Cool-Britannia"-Epoche, in der britische Girl- und Boy-Bands wie die Spice Girls oder Take That die internationalen Charts eroberten. Zur gleichen Zeit setzte sich mit Bands wie Oasis, Blur oder The Verve der Britpop als Alternative Rock britischer Färbung durch. Das neue Jahrtausend erlebte dann mit der "British Soul Invasion" den Siegeszug britischer Künstler in einem klassischen US-amerikanischen Genre. Amy Winehouse wurde 2008 mit fünf Grammy Awards ausgezeichnet, mehr als je zuvor eine britische Sängerin an einem Abend bekommen hatte. Das im gleichen Jahr erschienene Debütalbum von Adele legte den Grundstein ihrer Weltkarriere.
Harry Styles: Englands neuster Superstar
Derzeit ist Harry Styles der hellste Stern nicht nur am britischen Musikhimmel. Schon mit One Direction wurde er zum Star und hat Robbie Williams längst auf dem Thron im Pop-Olymp abgelöst. 15 Wochen lang stand sein Hit "As It Was" in diesem Jahr an der Spitze der amerikanischen Billboard Hot 100 - das ist bislang keinem anderen Solokünstler gelungen. Britanniens Musikstars scheinen überhaupt die Gabe zu haben, sich immer wieder neu zu erfinden. Das hat der mittlerweile 75-jährige Sir Elton John scheinbar mühelos im Duett mit Dua Lipa gezeigt und nach längerer Schaffenspause ist auch Adele wieder an die Spitze der Charts zurückgekehrt. Das kreative Musik-Potenzial der britischen Inseln ist also noch längst nicht ausgeschöpft.
Großbritannien: Erfolgreich auch beim ESC
Der Vereinigte Königreich nimmt seit 1957 - mit einer Ausnahme im Jahr 1958 - durchgängig am Eurovision Song Contest teil. Mit insgesamt fünf Siegen und 16 zweiten Plätzen steht es in der ESC-Erfolgsbilanz hinter Irland und Schweden auf Platz drei.
Sandie Shaw, Großbritanniens erste ESC-Gewinnerin, schaffte 1967 mit "Puppet On A String" europaweit den Sprung auf Platz eins der Charts. Im Jahr darauf schuf Cliff Richard mit "Congratulations" eine über Britanniens Grenzen hinaus erfolgreiche Geburtstagshymne. Als erster Popstar überhaupt wurde er 1995 von Königin Elizabeth II. zum Ritter geschlagen. "Save Your Kisses For Me", der Siegersong von Brotherhood of Man, war 1976 weltweit in den Charts und die meistverkaufte Single des Jahres. Lange bevor die Bühne des Eurovision Song Contest rief, landeten Katrina And The Waves mit "Walking On Sunshine" 1985 schon einen Welthit. Zwölf Jahre später gewannen sie mit "Love Shine A Light" den ESC in Dublin. Seit 2010 konnte Großbritannien nicht mehr an alte ESC-Erfolge anknüpfen. Das änderte sich mit Sam Ryder, der es 2022 in Turin mit "Space Man" auf Platz zwei schaffte.
Führend als Gastgeber des ESC
Fünfmal hat Großbritannien den Eurovision Song Contest bisher gewonnen, viermal als Gewinnerland ausgetragen. Da sich die Briten 1969 den ersten Platz mit drei weiteren Ländern teilen mussten, fand der ESC 1970 in den Niederlanden statt. In seiner ESC-Geschichte hat das Vereinigte Königreich auch das Hosting für andere Gewinnerländer übernommen: 1960 in London anstelle der Niederlande, 1963 ebenfalls in London anstelle von Frankreich, 1972 in Edinburgh anstelle von Monaco und 1974 in Brighton anstelle von Luxemburg. 2023 richtet Großbritannien den ESC für die Ukraine aus, da der Wettbewerb wegen des Krieges dort nicht stattfinden kann. Damit trägt es den ESC insgesamt zum neunten Mal aus und steht auf Platz eins der Liste der häufigsten Gastgeberländer.