Stand: 06.05.2013 14:38 Uhr

Schweden: Von Wikingern und Superstars

Wikinger-Folklore-Fest © picture-alliance/ dpa/dpaweb | epa PA Andrew Milligan Foto: Andrew Milligan
Die schwedischen Wikinger spielen wohlmöglich für den internationalen Musikerfolg ihres Landes eine wichtige Rolle.

Obwohl der nationale Musikmarkt vergleichsweise klein ist, sind die Schweden nach den USA und dem Vereinigten Königreich mittlerweile drittgrößte Musikexportnation der Welt. Über die Gründe für den internationalen Erfolg schwedischer Musik kann nur gemutmaßt werden. Möglicherweise taten sich bereits die schwedischen Wikinger leichter, fremde musikalische Einflüsse zu übernehmen und verarbeiten. Im Unterschied zu ihren norwegischen und dänischen Brüdern unternahmen sie zumindest weniger Raubzüge und betrieben mit den slawischen Völkern Osteuropas einen überwiegend friedlichen Handel. Sie wurden von den Einheimischen "Rus" (Ruderer) genannt und gaben so den Ländern Russland und Belarus ihren Namen. Ihre ausgedehnten Handelsrouten führten sie bis nach Byzanz.

Melodische Volksmusik

Vielleicht liegt das Erfolgsgeheimnis aber auch in der schwedischen Volksmusik, die im Unterschied zu der rhythmusbetonten Musik Südeuropas mehr Wert auf die Melodie legt - auch weil die Verwendung militärisch anmutender Instrumente wie Trommeln in der Volksmusik 1684 verboten wurde. Am populärsten ist die sogenannte "Spelmansmusik", die vorwiegend auf der Geige und der Nyckelharpa gespielt wird - einem mit Tasten gespielten Streichinstrument, das schon seit dem Mittelalter bekannt ist. 1811 begann der "Gotische Bund" die traditionellen Melodien, die von den Spielleuten vor allem zu Tanzvergnügen aufgeführt wurden, schriftlich festzuhalten. Im Laufe des 20. Jahrhunderts erlebte die schwedische Volksmusik einen enormen Auftrieb durch die Gründung zahlreicher Amateurformationen, die das musikalische Erbe bis heute mit großer Hingabe pflegen.

Deutsche und englische Einflüsse

Der Jazz-Pianist Jan Lundgren sitzt auf einem Felsen am Meer. © Jan Lundgren/Thomas Schloemann Foto: Thomas Schloemann
Jazz aus Schweden: Jan Lundgren spiegelt in seiner Musik die nordischen Weiten.

Doch Schweden war auch starken musikalischen Einflüssen aus dem Ausland ausgesetzt, zunächst populären Gesellschaftstänzen wie Tango, One-Step und Foxtrott. In den 1920er-Jahren nahmen sich dann viele Komponisten ein Vorbild am Jazz und am deutschen Schlager. Noch heute existiert der Begriff "Schlager" im schwedischen Wortschatz, hat dort aber keinen so negativen Beigeschmack wie bei uns. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es dann in erster Linie Vorbilder aus dem angelsächsischen Raum, die von den jungen Musikern nachgeahmt wurden. Hier liegt der Ursprung der "Dansbandsmusik", die sich in den 70er-Jahren auf der Basis von Swing, Schlager und Country zu einem eigenen Musikgenre entwickelte. Zu dieser Zeit hatten internationale Schallplattenkonzerne bereits die Kontrolle über die lokale Musikindustrie übernommen und vertrieben in Schweden fast nur noch Popmusik aus England und den USA.

Die Entdeckung der schwedischen Sprache für die Rock- und Popmusik

Als Reaktion auf diese Entwicklung entstand um 1970 eine antikommerzielle Gegenbewegung, das "Swedish Music Movement". Die vorwiegend jugendlichen Akteure der neuen Bewegung stammten zumeist aus politischen Protestbewegungen und legten großen Wert auf Musik in schwedischer Sprache als bewusstem Gegensatz zu der dominierenden englischsprachigen Musikkultur. Da die großen Konzerne kein Interesse an der Veröffentlichung dieser neuen schwedischen Musik zeigten, kam es zur Neugründung zahlreicher unabhängiger Plattenfirmen, die für die Verbreitung schwedischsprachiger Musik eine wesentliche Rolle spielten. Den Höhepunkt des "Swedish Music Movements" stellt das sogenannte Alternative Festival im Jahr 1975 dar. Es wurde als bewusste Gegenveranstaltung zu dem im gleichen Jahr in Stockholm ausgerichteten Eurovision Song Contest organisiert.

Schwedische Popmusik: ein Erfolgsmodell

Abba vor der Schwedischen Flagge. (Bildmontage) © Fahne: Fotolia, Quelle Künstler: picture-alliance/ dpa Foto: Fahne: Juergen Priewe, Fotograf Künstler: Pressensbild
1974 gewannen Abba mit "Waterloo" den ESC - und schrieben Musikgeschichte.

Gegen Ende der 70er-Jahre verlor das "Swedish Music Movement" an Bedeutung, ein Großteil der neu gegründeten Plattenfirmen wurde von den großen Musikkonzernen aufgekauft. Doch statt die neue Vielfalt wieder zu beschneiden, gingen die Konzerne dazu über, das künstlerische Potenzial schwedischer Musiker international zu vermarkten. Im Sog der Verkaufserfolge von Abba wurde schwedische Musik in englischer Sprache zu einem der wichtigsten Exportartikel des Landes - nicht nur (Euro-)Pop- und Dance, sondern auch Punk, Rock und vor allem Heavy Metal. Das "Swedish Music Movement" hat allerdings auch ein Bewusstsein dafür geweckt, dass Rock- und Popmusik nicht nur auf Englisch gut klingen - und so findet schwedischsprachige Musik sämtlicher Genres bis heute reißenden Absatz in Schweden.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2017 | 21:00 Uhr

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