San Marino: Älteste Republik der Welt
"Obgleich Ihr Staatsgebiet klein ist: Ihr Staat ist einer der meistgeehrten der Geschichte." Kein Geringerer als der amerikanische Präsident Abraham Lincoln schrieb diese Zeilen über das wohl kleinste Mitglied der Eurovisionsfamilie - San Marino. Lincolns Würdigung ist nicht nur als bloße Höflichkeit zu verstehen, denn das Land kann mit Stolz von sich behaupten, die älteste bestehende Republik der Welt zu sein. Seit mehr als 1.700 Jahren behauptet der Zwergstaat im Herzen Italiens erfolgreich seine Unabhängigkeit.
Die Legende des San Marino
Die Geschichte San Marinos geht bis auf das Jahr 301 zurück. Der Legende nach soll der Heilige Marinus (San Marino) vor den Christenverfolgungen auf den Berg Titano geflüchtet sein und dort mit Glaubensbrüdern und -schwestern eine erste christliche Gemeinschaft gegründet haben. Eine zum Christentum konvertierte Römerin schenkte Marinus den Berg, und nach dessen Tod im Jahr 366 gründeten seine Anhänger dort die Republik San Marino. Im Laufe der Jahrhunderte erweiterten die San-Marinesen ihr Territorium friedlich durch Landerwerb und verteidigten dank geschickter Diplomatie und der Unterstützung eines gut ausgebildeten Heeres erfolgreich ihre Souveränität. Selbst im Zuge der italienischen Einigung und während der faschistischen Herrschaft in Italien wahrte San Marino stets seinen Status als freie Republik.
Malerischer Touristenmagnet
Seit 1243 wird San Marino von je zwei 'Capitani Reggenti' regiert, die vom Parlament gewählt werden und bereits nach sechs Monaten Amtszeit wieder abgelöst werden, damit die Landesführung stets volksnah bleibt. Da das Land über keinerlei Bodenschätze verfügt, ist der Tourismus die wichtigste Erwerbsquelle für die etwa 30.000 Einwohner. Jedes Jahr strömen mehr als zwei Millionen Menschen in die Altstadt des Hauptortes San Marino mit seinen drei Burgen, und über 60 Prozent des Staatshaushaltes werden durch Einnahmen aus dem Tourismus bestritten. Rechnerisch kommt auf jeden vierten Einwohner der Ortschaft ein Geschäft. Als Mitbringsel besonders begehrt sind san-marinesische Briefmarken oder die raren Euro-Münzen, die für das Zwanzigfache ihres Prägewerts verkauft werden. Dabei ist San Marino nicht einmal Mitglied der Europäischen Union.
Musikszene im Schatten Italiens
Seine nationale Souveränität bewahrte sich San Marino wohl auch, weil es nie die Mittel hatte, sich im kulturellen Wettstreit mit anderen italienischen Stadtstaaten wie Florenz oder Venedig zu messen. Entsprechend spärlich sind die musikalischen Zeugnisse, die erst ab Mitte des 13. Jahrhundert überliefert sind und vor allem mit der religiösen Praxis des dortigen Franziskanerklosters in Verbindung stehen. Dank der Stiftung von Fabrizio Belluzzi erlebte die Kirchenmusik Anfang des 17. Jahrhunderts eine vorübergehende Blüte, doch am nachhaltigsten geprägt wurde die Musik der kleinen Republik wohl im 20. Jahrhundert durch den Komponisten Cesare Franchini Tassini. In der modernen Musikwelt konnte sich bislang nur ein san-marinesischer Künstler wirklich durchsetzen: der Rock’n’Roll-Sänger und Schauspieler Little Tony, der in den 1950er und 1960er Jahren als "italienischer Elvis" international Karriere machte.
Lebendige Kulturszene
Mit der Gründung des kleinen Fernsehsenders San Marino RTV wurde 1991 ein entscheidender Schritt unternommen, kulturell aus dem Schatten des übermächtigen Nachbarn Italien zu treten. Entsprechend umfangreich wird über das kulturelle Leben in San Marino und die Erfolge san-marinesischer Künstler im Ausland berichtet. Auch Musikveranstaltungen stehen im Fokus: Jahr für Jahr finden in San Marino internationale Wettbewerbe für klassische Sänger und Pianisten statt. Durch die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise ist San Marino seit 2008 noch abhängiger von touristischen Einnahmen, weil die ehemalige Steueroase durch eine umfangreiche Amnestie ihre Attraktivität für italienische Steuerflüchtlinge verloren hat. Ob die erstmalige Teilnahme am Eurovision Song Contest in Belgrad 2008 damit in unmittelbarem Zusammenhang steht, ist nicht überliefert.