Haute Couture beim Song Contest
Nostalgiker beklagen immer wieder, dass Pyrotechnik und akrobatische Einlagen den Eurovision Song Contest in den vergangenen Jahren zum Eurovision Show Contest gemacht haben. Doch wenn es darum geht, bei der Punktevergabe die Nase vorn zu haben, war den teilnehmenden Künstlern schon immer jedes Mittel recht, um die Aufmerksamkeit der Wertenden auf sich zu lenken. Das geschah meist mit den modischen Mitteln der jeweiligen Epoche, oft genug aber auch mit Haute-Couture-Kreationen, die ihrer Zeit ein ganzes Stück voraus waren. Und das nicht erst seit Jean Paul Gaultier.
Elf Kilo Porzellan vom Stardesigner
Nicht von allen spektakulären ESC-Outfits sind die Modeschöpfer überliefert, doch ein besonders schönes Stück sorgte 1969 in Madrid für Furore: der Hosenanzug der spanischen Sängerin Salomé, die mit "Vivo Cantando" als eine von vier Siegerinnen aus dem Wettbewerb hervorging. Der spanische Top-Couturier Manuel Pertegaz hatte der Sängerin einen Traum in Türkis-Blau auf den Leib geschneidert - mit Fransen aus feinen Porzellanröhrchen, die bei jeder Bewegung der temperamentvollen Künstlerin hin- und herschwangen und insgesamt stattliche elf Kilo wogen. Dazu trug Salomé drei schwere Halsketten, die noch einmal drei Kilo auf die Waage brachten. Pertegaz war Chefdesigner bei Dior und hatte zuvor schon Prominente und Stars wie Jackie Kennedy oder Audrey Hepburn eingekleidet.
Kostspielige Eleganz
Als Modeschöpfer bei Dior hatte auch Jean-Claude Pascal gearbeitet, bevor er den Song Contest mit "Nous les amoureux" für Luxemburg gewann. Ob der elegante Abendanzug, mit dem er 1961 in Cannes auf der Bühne stand, ein Dior-Entwurf war, ist nicht bekannt. Dafür weiß man, dass von Dior 1978 die schwarz-weißen Bühnenkostüme des Duos Baccara stammten, in denen die beiden Spanierinnen ihr "Parlez-vous Français" für Luxemburg auf einen ehrbaren siebten Platz sangen. Jedes der beiden Kleider soll 450.000 Peseten gekostet haben, umgerechnet etwa 4.700 Euro. Gigliola Cinquettis blaues Rüschenkleid, mit dem sie 1974 Italien auf Platz 2 sang, war seinerzeit immerhin etwa 1.400 Euro wert. Da muss man schon zwei Mal überlegen, bevor man zu diesem Entwurf aus dem Hause Valentino wirklich "Sì" sagt.
Und immer wieder Gaultier
Eine ganz besondere Beziehung zum Eurovision Song Contest hat Modeschöpfer Jean Paul Gaultier. Wer erinnert sich nicht an das federgeschmückte Abendkleid, in dem Dana International 1998 in Birmingham ihren ESC-Sieg mit "Diva" feierte? Doch das Enfant Terrible der Haute Couture präsentierte seine Kreationen schon viel früher auf der Song-Contest-Bühne: zum Beispiel den schwarzen Hosenanzug mit orangefarbener Schärpe, in dem Amina 1991 in Rom für Frankreich mit "Le dernier qui a parlé" fast gewonnen hätte. Oder das schwarze Abendkleid von Elisabeth Andreassen, in dem sie 1996 in Oslo mit "I evighet" ESC-Gastgeber Norwegen vertrat. Später sollten Gaultiers Entwürfe ein wenig farbenfroher werden, wie die pinken Kostüme der Les Fatals Picards, die mit "L'amour à la française" 2007 in Helsinki auf dem vorletzten Platz landeten.
Modische Fehlgriffe
Doch nicht jedes Haute-Couture-Kleid sieht auf der Bühne schön aus, wie die spanische Sängerin Lydia 1999 in Jerusalem eindrucksvoll unter Beweis stellte. Dass ihr Titel "No quiero escuchar" weit abgeschlagen auf dem letzten Platz landete, ist sicherlich auch der Kreation von Modeschöpferin Agatha Ruiz de la Prada zu verdanken. Sie ließ sich für Lydias Auftritt einen Albtraum in Regenbogenfarben einfallen, der prompt mit dem Barbara-Dex-Award ausgezeichnet wurde. Diese zweifelhafte Ehre wird seit 1997 besonders misslungenen Bühnenoutfits zuteil: Die Belgierin Barbara Dex hatte 1993 mit "Iemand als jij" einen möglichen ESC-Erfolg mit einer Eigenkreation aus durchsichtigem, cremefarbenem Tüll zunichte gemacht.