Stand: 23.07.2015 10:58 Uhr

Rückkehr der Türkei möglich, aber unsicher

Can Bonomo aus der Türkei auf der Bühne © NDR Foto: Rolf Klatt
Can Bonomo war 2012 der bisher letzte türkische ESC-Teilnehmer aus der Türkei.

Jüngst hat die Schweiz ihre Teilnahme am nächstjährigen ESC zugesagt, andere Länder haben ihr Dabeisein in Stockholm längst bekannt gegeben. Überraschend ist nicht, wie der Onlinedienst esctoday ermittelte, dass Monaco kein Interesse am eurovisionären Ausflug nach Schweden hat. Eigentlich ist das alles nur Formsache. All jene, die schon in Wien dabei waren, werden wieder mitmachen.

Wirklich interessant ist lediglich, ob mit Ländern, die beim 60. ESC in Wien fehlten, wieder gerechnet werden kann: also mit der Slowakei, Bulgarien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina und vor allem der Türkei und der Ukraine. Die erstgenannten Kandidaten waren in Wien nicht mit von der Partie, weil es ihnen - offiziell - an Geld fehlte. Bulgarien aber, Ausrichter des Junior Eurovision Song Contest im November, hat angedeutet, diese Geldgründe nicht mehr anführen zu wollen. Mit diesem Land ist also ebenso zu rechnen wie mit Kroatien. Die Slowakei ist unwahrscheinlich, dort ist der ESC nicht nur schwer finanzierbar, sondern obendrein kein besonders populäres TV-Showformat. Der Sender BHRT in Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina, könnte sich eine Teilnahme vorstellen. Er hat jedoch gleichfalls keine finanziellen Mittel frei, um sich den Ausflug nach Nordeuropa leisten zu können - oder zu wollen.

Starke finanzielle Probleme

Komplizierter - auch finanziell, vor allem aber politisch - ist es in Sachen Ukraine und Türkei. Die Ukraine musste auf den Jubiläums-ESC in Wien verzichten, weil das Land gerade mit einem Krieg am östlichen Rand seines Territoriums zu tun hat. Alle Kapazitäten des Fernsehsenders sind auf journalistische Aufgaben für die politischen Erschütterungen im Lande gerichtet. Innerhalb der European Broadcasting Union ist man freilich sehr an einer Rückkehr des Kiewer Senders interessiert. Hinter vorgehaltener Hand wird in Genf geäußert, dass ein Sieg der Russin Polina Gagarina in Wien es der Ukraine nicht leicht gemacht hätte, ins Eurovisionsgeschehen zurückzufinden. In Schweden aber könnte es zum Comeback des ruhmreichen ESC-Landes - mit dem Sieg von Ruslana 2004 und etlichen sehr guten Platzierungen - kommen. Der 61. ESC findet ja in einem politisch neutralen Land statt.

Ruslana vertritt die Ukraine 2004 beim Grand Prix und belegt den 1. Platz © Picture Alliance Foto: Sven Simon
Ruslana ist nur eine von vielen erfolgreichen ukrainischen ESC-Teilnehmern.

Meldungen in ESC-Foren, denen zufolge es gewiss sei, dass die Ukraine wieder mitmacht, sind allerdings verfehlt. Wie es aus der Reference Group, dem Lenkungsausschuss des ESC, heißt, sind die Unterschriften noch nicht geleistet worden. Das bedeutet: Auch finanziell muss in Kiew noch einiges geklärt werden. Wie es freilich aus Genf heißt, werde man sich sehr um dieses Land bemühen: Dadurch, dass eben auch Russland teilnimmt, hat das ukrainische Engagement starken Symbolwert.

Türkeis geänderte Innenpolitik

Das gilt nicht minder für die Türkei. Letztmals war sie 2012 in Baku dabei, Can Bonomo belegte damals den sehr guten siebten Platz mit "Love Me Back". Der Sender TRT erklärte hernach seinen Rückzug und begründete ihn damit, dass das Abstimmungsverfahren nicht in Ordnung sei. Letztlich waren es Gründe, die nicht zutrafen: Der Abstimmungsmodus galt ja auch für Can Bonomos, als er gut abschnitt. In Wahrheit war der Sender unter der Fuchtel der mit absoluter Mehrheit regierenden Partei AKP mit seinem Kopf, dem heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. AKP wie Erdogan stehen für ein islamistisches Verständnis von Kultur, nicht für Europäisierung. Allein: Bei den Parlamentswahlen dieses Jahr hat die AKP ihre absolute Mehrheit verloren.

Das heißt, dass der türkische Sender wieder ansprechbar ist für eine ESC-Teilnahme. Nicht mehr alles wird nationalistisch und islamistisch gefiltert. Seitens der EBU, heißt es aus unseren Quellen, sei man zuversichtlich, dass dieses ruhmreiche Grand-Prix-Land in Stockholm wieder begrüßt werden kann. Aber auch für die Türkei gilt, laut Frank-Dieter Freiling, Kopf der Reference Group, dass man erst sicher sein kann, wenn die üblichen Verträge beiderseits unterzeichnet sind. Das kann sich noch bis in den Herbst hinziehen. Aber: Es scheint alles im guten Fluss. Die Ukraine und die Türkei sind mit guten Chancen wieder dabei. Eine klasse Nachricht in diesen europäisch so erschütterten Zeiten.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 14.05.2016 | 21:00 Uhr

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