Sanktionen gegen Montenegro und Mazedonien
Nicht 40 Jurywertungen gingen in diesem Jahr in das ESC-Finalresultat ein, sondern lediglich 38. Schon kurz nachdem der letzte Ton in Wien weit nach Mitternacht verklungen war und die detaillierten Ergebnisse auf der Website von eurovision.tv veröffentlicht worden waren, war erkennbar: Die Wertungen von Mazedonien und Montenegro kamen ausschließlich über das Televoting zustande.
Das war insofern außergewöhnlich, als in den anderen Jahren seit der Wiederbelebung der Jurywertungen (2009 in Moskau) manche Länder nur ihr Jury-Ergebnis zur Geltung bringen konnten, denn für die Zählbarkeit eines Televotings hatten die Anrufe und SMS nicht gereicht. Das betraf dieses Jahr einmal mehr San Marino.
(Anmerk. der Red.: In einer früheren Version hatte der Autor fälschlicherweise an dieser Stelle noch diesen Satz eingefügt: "Dass aber die Abstimmung einer Jury aus der Wertung herausgenommen wird, ist meines Wissens noch nicht vorgekommen.")
Auf der Website heißt es etwa zu Mazedonien (in gleichem Wortlaut steht dies auch bei Montenegro zu lesen): "In case of technical issues with jury voting, or in case of a breach of rules and/or procedures, the rules of the Eurovision Song Contest state that 100 percent televoting shall apply." Im Falle eines Regelverstoßes, so heißt dies ins Deutsche übersetzt, soll das Televoting allein gelten.
Was ist da vorgefallen?
Die Beobachter der European Broadcasting Union und ihres Lenkungsausschusses (Reference Group) schweigen darüber, was vorgefallen ist. Von beidseitiger Begünstigung kann nicht gesprochen werden, beide Länder traten in unterschiedlichen Semis an. Im Finale erhielt Montenegro aus Skopje vier Punkte - auch dies erwartbar im Zusammenhang der ex-jugoslawischen Herkunft. Das Televoting, das nun in die Ergebnisse mit einging, war ohnehin nicht besonders auffällig. Serbien und Albanien lagen in beiden Ländern vorn, jeweils einmal mit zwölf und dann mit zehn Punkten - Nachbarschaftshilfen sozusagen, nichts spektakulär Schiefes. Doch was könnte es gewesen sein? Dass etwa Russlands Polina Gagarina von den Jurys je zwölf Zähler erhalten hat - aber auch das wäre nicht der Rede wert: Die politische Anhänglichkeit an Moskau ist in Montenegro Tradition, in Mazedonien aber nicht der Standard, weil man lieber in die EU als in das Empire Wladimir Putins möchte.
Ohnehin sind das nur Spekulationen - und Frank-Dieter Freiling, Vorsitzender der Reference Group, sagt hierzu gar nichts. Das ist regelkonform, er muss nichts sagen. Sicher ist nur, dass beide Jurywertungen nicht ersichtlich sind. Und dass beide TV-Stationen, RTCG aus Montenegro und MKRTV in Mazedonien, nun von der Reference Group EBU-offiziell gerügt worden sind - mit einem finanziellen Bußgeld. Die Höhe ist nicht bekannt. Ob sie budgetär schmerzhaft ausfiel, so Freiling, sei "Ansichtssache".
Dank an die Prüfcomputer
Gut ist aber, dass die Angelegenheit - wie auch immer die Auffälligkeit der Jury-Wertungen auch genau war - durch das präzise algorithmengestützte Verfahren der mit der Auswertungen der Abstimmungen beauftragten Firma Digame überhaupt bemerkt wurde. Man darf natürlich auch erwarten: Ein Unternehmen, das sich auf mathematische Verfahren versteht und sie auch zur Anwendung bringen kann, muss Unwuchten registrieren.
Ähnlich übrigens wie voriges Jahr Georgien gerügt wurde. Das kaukasische Land hatte - siehe die Resultate aus dem Finale - auf Anhieb sichtbare Abstimmungsparallelen: Conchita Wurst erhielt von buchstäblich allen Juroren und Jurorinnen den achten Platz zuerkannt, Armenien den dritten, Aserbaidschan einhellig den zweiten und Weißrussland den vierten Rang zuerkannt. Das war leicht zu bemerken. Beruhigend, dass grotesk anmutende Einhelligkeitsmeinungen schnell registriert werden können.