Glückwunsch, dem Liederbrückenbauer!
Seine erste Band gründete er als Teenager, das war Ende der 50er-Jahre. Michael Holm, der sich damals noch nicht so nannte, setzte auf das, was angesagt war: Cowboyschlager und Liebesschnulzen. Dass er keine Eintagsfliege im flüchtigen Popbusiness sein würde, wurde 1970 überdeutlich: Damals coverte er auf Deutsch den US-Titel „Mendocino“. Dieser Ort an der kalifornischen Pazifikküste ist seither eine Art Sehnsuchtsziel vieler deutscher USA-Touristen geworden. Anders als in Holms Lied nahegelegt wird, brennt dort zwar nicht immer die Sonne – aber was soll’s: Es ging um diese neue Art des deutschen Schlagers, in deren Texten Geschichten erzählt wurden, kleine Stücke des Chansonhaften beinahe.
Andere Lieder festigten seinen Status als Sänger, Produzent, Texter und Entertainer – gern mit dem Halstuch als modisches Detail auftretend. Michael Holm sang „Barfuß im Regen“, „My Lady Of Spain“ und „Tränen lügen nicht“. Er war Dauergast in der ZDF-Hitparade, in Ilja Richters „Disco“, überhaupt in allen Shows, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen ausstrahlte. Wie er selbst sagte, wollte er Erfolg haben und Geld verdienen: „Es gibt Kollegen von mir, die haben Kunst lieber und glauben, Kunst messe sich daran, dass sich kein Hit einstellt. Mir war es immer lieber, von meiner Arbeit auch leben zu können.“
Für den ESC ist er in entscheidender Weise von Rang. Nicht, dass er 1973 in der Vorentscheidung – die Gitte mit „Junger Tag“ gewann – mit zwei Titeln teilnahm. „Das Beste an dir“ erreichte den neunten, „Glaub‘ daran“ den letzten und zwölften Rang. Es waren schlimme, unwichtige Lieder, muss man wohl sagen – als sollte der Name Michael Holm die Show schmücken. Er selbst erzählte mir einmal, er habe dieses Qualifikationsrennen nicht wirklich ernst genommen. Kaum zu glauben, weil er es eigentlich, anders als Gitte, nicht nötig hatte, dieses öffentliche Forum zu wählen, um sich wieder in Erinnerung zu rufen: Holm war vorher eine große Nummer und blieb es auch in den Jahren danach.
Zum Teil einer Legende des ESC wurde er 1975. Rainer Pietsch, einer der wichtigsten Komponisten und Arrangeure jener Jahre, spezialisiert auf Disco, auf den Munich Sound, Kollege von Giorgio Moroder (Erfinder von Donna Summer als Disco-Ikone), dieser Komponist hatte für die deutsche Vorentscheidung jenes Jahres ein Lied parat. Singen sollte es Joy Fleming, eine Mannheimerin, die bis dahin nicht bekannt dafür war, im Schlagerbecken mitzuplätschern, eher eine Soulistin von Gnaden („Neckerbrückenblues“, „Die Nacht zeigt nicht jedem ihr Gesicht“). Gesucht wurde ein Text, und den steuerte schließlich Michael Holm bei.
In einem Gespräch vor zwölf Jahren, das wir in Leipzig hatten, erzählte er: „Eines Tages kam ich zu Rainer Pietsch ins Studio. Ein großer Arrangeur, ein Oratorienschreiber, ein Künstler. Er saß am Klavier und arbeitete an einer Melodie. Klang nicht schlecht. Die sei für Joy Fleming, sagte er, für die Eurovision. Den Rhythmus habe er auch schon, nur am Chorus fehlte es noch. Spontan fiel mir ein … Im Wortsinn: Von einer Sekunde auf die andere. Das kann man nicht erklären.“
“Ein Lied kann eine Brücke sein” – das war die Zeile, die Überschrift. Um den Textkörper zu schreiben – wozu ihn Pietsch aufforderte – musste er sich in die Einsamkeit zurückziehen: „Ich habe Freunde eingeladen, irrigerweise in der Annahme, mit denen zusammen würde mir schon was einfallen. Aber nichts, buchstäblich nichts kam da zustande. Ich hab‘ dann gesagt, Jungs, ich verzieh‘ mich, hier ist zu viel Leben. Und bei Reit im Winkel kam es wie von allein. Und so weiter, es passte, es saß, es machte Sinn.“
Dieses Lied ist zum Evergreen geworden, es zählt, obwohl Joy Fleming in Stockholm nur den 17. Rang erreichte, als eines der (damalig) modernsten der ESC-Geschichte – als Überschrift zum ESC schlechthin: Ein Lied kann eine Brücke zwischen europäischen Wegen des Schlagers und des Pop sein.
Michael Holm, der 1998 als Produzent des Guildo-Horn-Albums „Danke!“ an der Renaissance des Schlagers in Deutschlands beteiligt war, der immer noch als Produzent (auch für den asiatischen Markt) erfolgreich ist und im Fernsehen ziemlich häufig auftritt, ist am Montag 70 Jahre alt geworden. Irgendwie sieht er immer noch aus, als fahre er gleich nach Mendocino und liebe es, barfuß im Regen zu gehen.
Wir wünschen herzlichen Glückwunsch – nachträglich!