Ein bisschen 50: Nicole feiert Geburtstag
Sie stammt aus dem Saarland, ist dort immer geblieben, hat ihren Freund Winfried Seibert 1984 geheiratet und insofern längst Silberhochzeit gefeiert. Mit ihm hat sie zwei Töchter, inzwischen auch eine Enkelin. Ein deutscher Frauenlebenslauf: In der Provinz gezirkelt, zwar in der Welt außerhalb ihrer Heimat herumgekommen, aber stets ins Übersichtliche, Beschauliche zurückgekehrt. So eine lieben sehr viele Deutsche, so eine mochten sehr viele eurovisionäre Europäer, als diese Frau 1982 ihre Chance zum ewigen Ruhm nutzte. Das war in Harrogate, und Sie wissen ja ohnehin, von wem die Rede ist: natürlich von Nicole. Mit ihrem Evergreen "Ein bisschen Frieden" siegte sie vor 32 Jahren den damals noch hierzulande "Grand Prix Eurovision de la Chanson" genannten Wettbewerb.
Ein umstrittener Song schreibt Geschichte
Im Gegensatz zum Sieg von Lena vor vier Jahren in Oslo bewirkte Nicoles Triumph mit ihrem perfekten Ralph-Siegel-Popsong keinen Hype in Deutschland. Das muss man aus heutiger Sicht bedauern, denn das Lied hatte Kraft und Magie, die Performance seiner Sängerin hatte diesen gewissen zwingenden Moment, das neckische Bühnendarbietungen von überwältigenden unterschiedet.
Aber es war eine andere Zeit - und der Song durchaus umstritten. In der Bundesrepublik war die Friedensbewegung tonangebend, und diese fühlte sich veräppelt durch dieses Lied: Es gehe schließlich um den ganzen Frieden, nicht um ein bisschen davon. Obwohl sie erst 17 Jahre jung war, galt Nicole als Schlagertante, als nicht akzeptabel. Sie war nicht cool genug. Nicole hinterließ immer das Gefühl, sie liege politisch nah an der CDU - und auch das war kein Aspekt, der zu ihrem Ruhm in der coolen Musikindustrie und ihrer Freunde beitrug.
Sie wusste, was sie wollte
Heute weiß man zwar, dass die Friedensbewegung in vielerlei Hinsicht schief lag, vor allem in ihrer Blindheit den sozialistischen Ländern gegenüber. Dafür kann man heute sagen: Nicole, diese Sängerin, hat es in Harrogate großartig gemacht. Sie war fokussiert, wusste, was sie wollte, hatte diese leichte Kälte, die man in einer Konkurrenz braucht - sie hatte damit alles, um ihr Ding durchzuziehen.
Ein Popsong ist dieses "Ein bisschen Frieden" deshalb, weil er früh andeutete, dass die Deutschen (und mit ihnen die allermeisten Europäer) auf Kriege keine Lust mehr haben. Mobilisierungen für den Ersten wie für den Zweiten Weltkrieg sind heutzutage nicht mehr zu erreichen. Dass das nur "ein bisschen Frieden" in der Welt bedeuten kann, macht Nicoles Lied schmerzhaft immer noch deutlich.
Sie war immer klug genug, nie mehr zum ESC zu gehen, anders etwa als die Irin Niamh Kavanagh oder die griechische Schwedin Helena Paparizou: Sie wusste, dass "Ein bisschen Frieden" nicht mehr zu toppen sein würde. Mit einer Fülle von Liedern blieb sie im eigenen Land Dauergast in der ZDF-Hitparade, nahm hier und da an einem nichteurovisionären Wettbewerb teil, tingelte durch deutsche Lande und führte ein produktives Leben. Ihre Doppel-CD vor vier Jahren zum 30-jährigen Bühnenjubiläum betitelte sie "Mit Leib und Seele". Man könnte sagen: Sie ist eine Saarländerin, die gern, also mit Leib und Seele, mal nach draußen muss, um die Provinz hinterher besser aushalten zu können.
Wenig Worte für Lena
Das konnte sie mit ihrem Talent gut machen. Sie ist eine Beliebte im Lande, wenigstens im sogenannten Schlagerbereich. Verstörend für alle war bei Lena Meyer-Landruts Sieg in Oslo nur, dass Nicole kaum die Größe fand, sofort zu gratulieren - sondern erst später. Irgendwie wirkte das ziemlich kleinlich, dass sie keine guten Worte fand. Am 27. Dezember 2012, immerhin anderthalb Jahre nach Lenas erstem Platz mit "Satellite", sagte sie in der Zeitung "Pfälzischer Merkur" noch dies: "'Ein bisschen Frieden' hat damals die ganze Welt berührt.
'Satellite' ist halt nur ein Popsong, der schnell wieder in Vergessenheit geraten ist, weil er keine Botschaft, keine Tiefe besitzt." Wer auch immer ihr das eingeflüstert hat, wer immer ihr dazu geraten, so verkniffen sich zu äußern: Man darf nicht vergessen, dass "Ein bisschen Frieden" ein Schlager war, der ferner der Qualität von Liedermachern, von Chansonniers, von Singer-Songwritern nicht sein konnte. Ein friedensmäßig kalkuliertes Stück Sentimentalität, was denn sonst? Aber eben famos gemacht.
Glückwünsche zum 50.
Nicole sollte endlich, nun zu ihrem 50. Geburtstag am Samstag, den 25. Oktober, ihren kleinen Frieden mit Lena machen - und dem Umstand, dass ihre große Zeit ein bisschen vorbei ist. Sie hat sich gehalten, immerhin. Und sie ist doch keine Lys Assia, oder? Herzlichen Glückwunsch zu einem erfolgreichen Showleben zwischen dem Saarland und ein bisschen darüber hinaus. Das saarländische Fernsehen ehrt sie am Samstag. Wenn ich richtig orientiert bin, ist diese Sendung nur regional zu sehen: In der ARD-Mediathek wird sie danach gewiss zu finden sein.
Bis dahin gibt es hier nochmals die belgische Kommentarfassung ihres legendären Siegerliedes zu sehen. Schön, dass Nicoles Hit aus dem Jahre 1981 "Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund" vom Moderator mit erwähnt wird.