Joy Fleming: "Ich bin heute noch so stolz darauf"
Joy Fleming ist ohne Zweifel die deutsche Grand Dame des Grand Prix. Eurovision.de sprach am 1. August 2006 mit der Soulsängerin über ihre Idee für einen doppelten Eurovision Song Contests, ihr grünes Grand-Prix-Kleid und Janis Joplin.
eurovision.de: Sie haben kürzlich bei der NDR Talkshow für zwei verschiedene Eurovision Song Contests plädiert. Wie sollte das aussehen?
Fleming: Wie früher: dass eine Big Band spielt, wie bei Stefan Raab, wo ich dabei war. Die Leute müssten live singen, natürlich nicht im Look der finnischen Band Lordi. Modern angezogen, ohne sich zu verkleiden. Andere Leute, die nichts drauf haben, werden überall von den Medien präsentiert. Es gibt viele gute Musiker, die vielleicht nicht dem Äußeren entsprechen, von denen hört man nichts. Ich weiß nicht, warum das Äußere so überbewertet wird. Louis Armstrong war auch nicht schön, oder Ella Fitzgerald.
eurovision.de: Wie sähe der zweite ESC aus?
Fleming: Der wäre für die, die es gar nicht interessiert, ob einer schön singt. Für die, die gerne das Gehoppel sehen. Diese Verkleidung, die Silikonfrauen, die Playbacks, das ist ja keine Live-Performance.
eurovision.de: Die Olsen-Brothers haben 2000 doch mit einer einfachen Performance gewonnen …?
Fleming: Das war ein guter Titel, den auch junge Leute gerne gehört haben. Aber das war eben eine Live-Performance mit Gitarren, das hat man gehört. Mein Vorschlag mit zwei Eurovision Song Contests ist zwar gut. Man kann ihn wohl nicht in die Realität umsetzen, weil wahrscheinlich das Geld fehlt.
eurovision.de: Wen würden Sie zu diesen hypothetischen ESCs hinschicken?
Fleming: Ich könnte wieder singen, hätte kein Problem damit, vielleicht ein Song mit Klavier und drei Streichern. Oder Peter Fessler, ein super Jazzsänger. Ich würde auch gerne sehen, dass es verschiedene Musikrichtungen gibt, nicht nur Chanson, oder Schlager, oder Jazz oder Blues, sondern von jedem etwas. Das andere wäre dann ein „Disco-ESC“.
eurovision.de: Hat Ihnen Ihre Grand-Prix-Teilnahme 1975 eher genützt oder geschadet?
Fleming: Ich hatte nur Glück damit. Ich bin heute noch so stolz darauf, habe damals auch live gesungen, mit Orchester. Der Grand Prix nützt mir sogar heute noch. Jeder weiß, was man geleistet hat. Wenn ich manchmal vollplayback singen muss, habe ich das Gefühl, ich hätte nicht gearbeitet.
eurovision.de: Sie haben Ihr grünes Grand-Prix-Kleid zerschnitten ...?
Fleming: Ja, das war furchtbar. Weil es nicht dem entsprach, was ich mir vorgestellt hatte. Man wurde damals angezogen. Heute würde ich es nicht mehr mit mir machen lassen. Statt dessen hätte ich lieber einen schwarzen Hosenanzug mit einem schönen T-Shirt darunter getragen, oder ein schickes langes Kleid mit Schlitz. Man kann elegant-leger aussehen, auch wenn man kräftiger ist.
eurovision.de: Im Herbst gibt es ein neues Joy Fleming Album?
Fleming: Ich bringe ein Weihnachtsalbum heraus, meine erste Weihnachts-CD überhaupt. Da ist Gospel drauf, Reggae, Balladen. Songs wie "Es ist ein Ros' entsprungen", "Stille Nacht", "Oh du Fröhliche" als Reggae, "Jesus Christ is Born" mit Rap.
eurovision.de: Haben Ihre Kinder Ihre Musikalität geerbt?
Fleming: Ja, beide Söhne singen fantastisch. Rainer wollte Bassist werden, hat jetzt aber Familie und Kind. Er ist super begabt, macht leider nichts draus. Beide sind ausgebildete Altenpfleger, Rainer ist zusätzlich Dialysefachmann. Ich habe allen Respekt, dass sie das können. Ich habe nämlich selbst eine 91-jährige Mutter im Altersheim, die dement ist. Ich sehe, was da gefordert wird.
eurovision.de: Ihr Sohn Bernd hat vor kurzem einen Mann geheiratet…
Fleming: Ja, es ist eine wunderbare Ehe, sie verstehen sich fantastisch. Das sehe ich ganz normal. Ich will auch gar nicht, dass man das so überbewertet. Ich finde toll, dass er offen und ehrlich damit umgeht. Er hat es mir gleich gesagt und ich meinte zu ihm: Kind, es ist dein Leben, du musst damit fertig werden, du musst wissen, was du willst.
eurovision.de: Mit welchem Künstler würden Sie gerne zusammenarbeiten?
Fleming: Mein Lebenswunsch wäre, mit Michael McDonald von den Doobie Brothers zu singen. Er hat eine Stimme, da geht mir das Herz auf. Der ist so alt wie ich, hat graue Haare und ist der beliebteste weiße Soulsänger Amerikas. Xavier Naidoo hat auch eine tolle Stimme und macht schöne Musik. Was ich nicht mag, sind die Leute, die imitieren. Es gibt immer nur ein Original, nur einen Stevie Wonder, nur eine Ella. Die Imitiererei nützt gar nichts. Man muss wissen, wenn das jetzt im Radio läuft, ah, das ist Joy Fleming. Früher hat man gesagt, ach, die singt wie Janis Joplin. Ich habe überhaupt keine Ähnlichkeit mit ihr. Ich habe allerdings bei ihrem einzigen Deutschlandkonzert im Vorprogramm gesungen.
eurovision.de: Haben Sie Janis Joplin persönlich getroffen?
Fleming: Das war in den 70ern, kurz vor ihrem Tod. Sie kam zu mir, hatte mich in der Probe gehört. Dann kam sie, schön zugedröhnt, wie man leider Gottes weiß, und sagte: You have got the best voice I've heard in Germany. Da habe ich mich gefreut. Aber nie versucht, sie zu imitieren, weil ich eine ganz andere Stimme habe.
eurovision.de: Wie schalten Sie vom Tourneestress ab?
Fleming: Singen ist für mich nie Stress, nur das Drumherum. Auf der Bühne könnte ich ohne Ende singen. Zuhause haben wir ein eigenes Tonstudio, wir nehmen gerade eine gemischtsprachige Joy-Fleming-CD auf, französisch, deutsch, englisch. Mein Freund Bruno Masselon ist ja Franzose. Dann habe ich meinen Hof, die Blumen. Als Tiernärrin engagiere mich gegen Tierversuche. Ich war gerade bei einem Benefizkonzert im Tierheim. Da habe ich gleich einen misshandelten Hund mitgenommen. Jetzt habe ich drei Hunde, zwei Katzen und zwei Papageien.
eurovision.de: Singen Sie mit dem Papagei im Duett?
Fleming: Ja, ja. Das sollten Sie mal hören, Sie lachen sich tot. Ich kann nie in meinem Wohnzimmer proben, weil der immer gleich anfängt zu schreien.