Freddy Quinn: "Ich habe Rock and Roll gesungen"
Er war der erste Teilnehmer für Deutschland beim Grand Prix de la Eurovision - allein deshalb schon ein Muss für diese Reihe. Obwohl sein Lied dort disqualifiziert wurde, landete Freddy Quinn danach einen Hit nach dem nächsten, gastierte in mehr als 100 Ländern und verkaufte mehr als 50 Millionen Schallplatten. Im Interview vom 19. September 2006 spricht Quinn über den Grand Prix, Johnny Cash, seine Zeit beim Zirkus und seine Träume für die Zukunft.
eurovision.de: Können Sie sich an Ihre Grand-Prix-Teilnahme 1956 erinnern?
Quinn: Ich war der erste, der damals Deutschland vertreten hat. Mit einem total falschen Lied. Die Ursprungsform dieser Veranstaltung war ja ein Chanson. Die Kriterien waren genau auf Chanson nach französischem Vorbild gedacht. Das heißt: eine Geschichte, musikalisch untermalt, teilweise gesprochen, so wie Charles Aznavour, Yves Montand, Edith Piaf und ich bin dahin gegangen und habe Rock and Roll gesungen.
eurovision.de: Haben Sie den Grand Prix danach weiter verfolgt?
Quinn: Ein paar Mal schon, nur habe ich diese schreckliche Wandlung gesehen. Natürlich bin ich da konservativ. Aber was sich jetzt tut, ist eine reine Showgeschichte. Die Qualität der Musik ist egal heute. Es interessiert mich überhaupt nicht, um ehrlich zu sein. Wie diskrepant der Grand Prix geworden ist, zeigt der deutsche Beitrag mit einem Countrylied. Als Country finde ich es ganz gut, aber die hätten nach meiner Auffassung da nichts zu suchen gehabt. Das ist keine Kritik. Aber das sehe ich als Verfall dieses Grand Prix, weil ich eben alt und konservativ bin.
eurovision.de: War die technische Neuheit, in mehreren Ländern gleichzeitig gezeigt zu werden, aufregend für Sie?
Quinn: Ich habe die technische Neuheit schon in Hamburg kennen gelernt. 1954 gab es den ersten Probesender hier am Heiligengeistfeld in Hamburg, wo stundenweise tagsüber Probesendungen ausgestrahlt wurden. Wenn ich das so, ohne überheblich zu sein, sagen darf, war ich der erste Fernsehunterhalter überhaupt. Jürgen Roland hat mich vor die Kamera geholt damals, und ich habe ein Lied gesungen: (singt) "Cigarettes and Whiskey and wild, wild women, there is no place in Hamburg like the Washington Bar." Das hat mich mehr beeindruckt, hier der erste zu sein, der Fernsehen machen durfte, nachdem ich schon zwei Jahre Radio gemacht habe.
eurovision.de: Würden Sie noch einmal in Hamburg auftreten?
Quinn: Ich habe die letzte Tournee im Januar gemacht, ich bin nicht Zarah Leander. Die hat, glaube ich, 25 Abschiedstourneen gemacht. Ich bin konsequent, habe die Abschiedstournee mit 18 Musikern und zweieinhalb Stunden auf der Bühne gemacht. Das einzige, was mich reizen könnte, ist ein Angebot für eine Rolle wie in der Serie "In aller Freundschaft".
eurovision.de: Wir führen das Interview am Todestag einer Person, die Sie gekannt haben: Johnny Cash.
Quinn: Das war eine Sensation. Ich bin rübergeflogen und habe ihn besucht. Der war clean, der war toll drauf, und hat mit mir einen Countrytitel im Duett gesungen. (Singt): We're down in Columbus, Georgia, I wanna be back in Tennessee. Die Leute haben getobt, das war Wahnsinn. Ich bin der einzige, der schriftlich hat, dass er mit Johnny Cash ein Duett gesungen hat, außer seiner Frau June Carter. Cash hatte eine Ausstrahlung, die seinen Erfolg begründete.
eurovision.de: Und Ihre Zeit beim Zirkus?
Quinn: Die war toll. Das war meine Basis. Die wichtigste Lehre meines Lebens überhaupt. Von den Artisten habe ich gelernt, dass das Publikum meine Gage bezahlt. Dass ich die verdammte Pflicht habe, dafür meine Arbeit abzuliefern. Dort war ich ein Allroundman. Es war ein winzigkleiner Wanderzirkus. Statt in die vierte Gymnasialklasse zu kommen, bin ich mit dem Zirkus weggelaufen, weil ich meinen Stiefvater nicht leiden konnte. Jedenfalls habe ich beim Wanderzirkus von der Pike auf alles gelernt. Ich bin Traktor gefahren, habe das Zelt auf- und abgebaut, eine kleine Nummer gemacht, war Musiker und Kapellmeister, Zwei-Mann-Musik mit Akkordeon und Saxophon. Für Artisten gibt es keinen doppelten Boden, kein Playback.
eurovision.de: Wie war die Geschichte mit dem Geparden im Hamburger Hotel Atlantic?
Quinn: Dazu gibt es ein berühmtes Foto, ich habe es sogar als Postkarte drucken lassen. Jayne Mansfield, ein Gepard in der Mitte und ich kamen die Supertreppe im Hotel Atlantik herunter. Unten stand eine Delegation von pensionierten amerikanischen Lehrerinnen, alle so um die siebzig. Der Gepard hatte keine große Lust, die Blitze der Fotografen zu ertragen. Daher wurden sie angewiesen, nicht zu blitzen. Als sie das dann trotzdem taten, war der böse. Gott sei Dank war das Tier an der Kette. Es bäumte sich auf und fauchte richtig. Eine der Lehrerinnen drehte sich um und hatte das Pech zu sehen: Drei Meter vor ihr faucht ein Gepard mit aufgerissenem Maul. Da fiel sie in Ohnmacht.
eurovision.de: Sie leben schon sehr lange in Hamburg...
Quinn: Ich bin hier gezeugt worden. Meine Mutter war beim Hamburger Fremdenblatt Journalistin.
eurovision.de: Sie haben hier aber nie eine eigene Wohnung gehabt, oder ein eigenes Haus. Wo bewahren Sie denn Ihre viele Auszeichnungen auf?
Quinn: Ich habe immer noch kein eigenes Haus. Die goldenen Platten, die echt sind, liegen auf der Bank. Das Bundesverdienstkreuz erster Klasse befindet sich in wohlbehüteter Aufbewahrung. Genauso mein Großes Verdienstkreuz in gold der Republik Österreich. Ganz besonders stolz bin ich auf meinen Zirkusoscar. Diese Medaille habe ich 1976 beim Zirkusfestival in Monaco von Fürst Rainier erhalten.
eurovision.de: Hätten Sie gerne Kinder gehabt?
Quinn: Es war eine klare Entscheidung, dass wir keine Kinder wollten, weil Kinder eine intakte Familie brauchen und nicht einen Menschen, der kaum zu Hause ist. Da ich selbst ein hin- und hergerissenes Kind war, hatte ich keine Lust, mich in dieselbe Situation zu begeben und meinem Kind kein anständiges Familienleben zu gönnen.
eurovision.de: Wie wollen Sie Ihren Geburtstag feiern?
Quinn: Gar nicht. Ein Tag wie jeder andere. Ich bin den Genen dankbar, und der Natur dankbar, meiner Disziplin, einer Obrigkeit, die irgendwo in höheren Sphären vielleicht zu finden ist. Aber es ist doch kein Verdienst, dass ich so alt werde.
eurovision.de: Manchmal hat man doch das Bedürfnis, mit Freunden…
Quinn: Ich habe ein paar wenige Freunde, in der Branche und natürlich auch privat. Kulenkampff war ein Freund. Karl Vibach, der Regisseur, der mir die Chance gab, in Lübeck Theater zu spielen, die Basis für meine 4.000 Mal auf der Theaterbühne. Jayne Mansfield, mit der ich mich sehr gut verstand. Die sind leider alle tot, auch Harry Belafonte und Johnny Carson, der erstaunt war, dass ein Deutschsprachiger einen Morgentown-West-Virginia-Akzent hatte.
eurovision.de: Während der vergangenen Fußball-WM haben viele die Gelegenheit gehabt, die Weltoffenheit der Deutschen kennen zu lernen.
Quinn: Die habe ich intensiv verfolgt. Ach übrigens: 1974 habe ich, und das steht nirgendwo, das Lied der Weltmeisterschaft und gleichzeitig das Lied der Glücksspirale geschrieben und am 7. Juli im Olympiastadion mit den Fischerchören in München interpretiert. Vor dem Spiel Deutschland-Holland, das 2:1 gewonnen wurde und uns die Weltmeisterschaft brachte.
eurovision.de: Haben Sie einen Traum für die nächsten 25 Jahre?
Quinn: Ich hoffe, dass mir die Gesundheit bleibt. Die nächsten Jahre werden zeigen, was passiert.