Stand: 21.11.2006 11:30 Uhr

Cliff Richard: "Mit dem ESC verbinde ich Aufregung"

von Pia Barchet, Patricia Batlle

Seine verpassten Chancen auf die Grand-Prix-Krone sind wohl die spektakulärsten der Schlagergeschichte. Dennoch ist er seit 50 Jahren einer der erfolgreichsten Musiker aller Zeiten. Nach fünf Jahren Pause kommt Cliff Richard für zwei Konzerte nach Deutschland. Eurovision.de sprach mit dem Briten am 21. November 2006 über sein Duett-Album, deutsche Texte und Freddy Mercury.

eurovision.de: Welche Erinnerungen ruft der Grand Prix in Ihnen wach? Den blauen Anzug, den Sie 1968 trugen? Dass in der Tabelle immer eine spanische Lady vor Ihnen landete (1968 war Massiel die Nr. 1, 1973 Mocedades die Nr. 2)?

Cliff Richard im blauen Anzug beim Grand Prix d'Eurovision 1968

Richard: Der blaue Anzug war absolut unvergesslich. Nur finde ich jedes Mal, wenn ich das Video meines Auftritts von 1968 sehe, die drei jungen Damen im Hintergrund in ihren rosa Outfits sehen noch gewagter aus! Mit der Eurovision verbinde am meisten die Aufregung. Ich war vor meinem Auftritt so nervös, dass ich dachte, ich schaffe das nie bis zum Ende der Punktevergabe. Bis heute weiß ich nicht genau, wie ich es bis zum Ende meines Auftritts geschafft habe! Danach habe ich mich jedenfalls im Bad eingeschlossen und kam erst nach der Punktevergabe wieder heraus. Ich konnte es nicht fassen, als man mir sagte, ich hätte den ersten Platz um einen Punkt verfehlt und dass mein Beitrag gegen einen so sinnigen Text wie "La la la" verloren hätte.

Danach wurde "Congratulations" aber ein Hit, die Platte wurde eine Million Mal verkauft. Der Titel war sieben Wochen an der Spitze der deutschen Charts und ist eine Art Hymne geworden, die noch heute auf Geburtstagen und bei Fußballspielen weltweit gesungen wird. Meinem Lied von 1973, "Power to all our friends", ist es ähnlich ergangen. Es hat sich fast so gut verkauft wie "Congratulations". Ich kann mich also nicht beklagen. Ich habe nur schöne Erinnerungen an die Eurovision.

eurovision.de: Was für Chancen hat Roger Cicero auf einen Sieg? Es hat noch nie jemand Swing auf Deutsch beim ESC gewagt.

Richard: Ich war die vergangenen Monate auf Tour und bin nicht dazu gekommen, Roger Ciceros Beitrag zu hören. Darüber kann also nichts sagen. Wenn es aber ein gutes Swinglied ist, hat er sicherlich echte Chancen auf einen Sieg. Ich mag sowieso die guten alten Swingnummern mit dem charakteristischen Big-Band-Sound. Auf meinen Konzerten in Deutschland werde ich ein Duett mit Swing-Anklängen bringen, "Let there be love", das hat ursprünglich der Brite Matt Munro gesungen. Es ist sehr mutig von Roger Cicero, etwas Besonderes zu wagen und ich wünsche ihm viel Erfolg. Ich freue mich jedenfalls sehr darauf, nächste Woche in Deutschland sein Lied zu hören.

eurovision.de: Sie gastieren Ende März in Hannover und Frankfurt mit einem neuen Duett-Album. Was bringen Sie Besonderes mit?

Richard: Ich habe noch nie Duette in meinen Konzerten gesungen, das ist neu. Der überraschendste Titel wird sicherlich "Move it" sein. Das war meine allererste Platte und auch in Deutschland vor ewigen Zeiten ein Hit. Ich habe "Move it" mit Brian May (von Queen, Anm. der Red.) und Brian Bennett von den "Shadows" neu aufgenommen. Dabei ist eine ganz neue Version entstanden.

eurovision.de: Werden Sie auf Deutsch singen?

Richard: Ich bringe viele ältere Hits mit. Falls mir Teile aus "Es war keine so wunderbar wie du" oder "Rote Lippen" wieder auf Deutsch einfallen, werde ich es natürlich versuchen.

eurovision.de: Was denken Sie heute über Ihre Titel wie "Rote Lippen soll man küssen" und "Das ist die Frage aller Fragen"?

Richard: Es sind Lieder aus meiner Vergangenheit, die ich mit deutschen Texten aufgenommen habe, was nicht einfach war. Besonders deshalb, weil Rock'n'Roll, wie ich finde, eine angloamerikanische Kunstform ist, in die sich englische Wörter besser einschmiegen. Ich liege da vielleicht falsch, denn sicher gab es großartige Rock'n'Roll-Sänger mit deutschen Texten, die wohl besser als meine klangen. Ich wusste jedenfalls nie, was ich da gerade singe.

eurovision.de: Ihr Duett-Partner Brian May hat erzählt, dass Sie sein Held sind, und wie sehr Freddy Mercury Ihre Lieder mochte. Wie finden Sie das?

Richard: Es ist unglaublich. Besonders, wenn man bedenkt, was für eine fantastische Band Queen sind. Brian May hat mir eine Geschichte über Freddy aus der Zeit erzählt, als dieser, lange Zeit vor Queen, mit seiner ersten Combo durch den Nahen Osten tourte. Brian sagt, Freddy hat immer meine Lieder gesungen (lacht). Ich kann es kaum fassen: Freddy Mercury hat Cliff-Richard-Songs gesungen! Toll!

eurovision.de: Sie sind in Indien geboren und haben dort acht Jahre gelebt. Woran erinnern Sie sich?

Richard: Wir haben immer Drachen steigen und miteinander kämpfen lassen. Du konntest deinen Drachen in einen anderen manövrieren und dann dessen Schnur kappen, um ihn zu entern. Ich erinnere mich gerne daran.

eurovision.de: Wie lebt der Mann, dem Frauen auch heute noch zu Füßen liegen, heute?

Richard: Ich lebe zwar alleine, aber ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wann ich das letzte Mal allein daheim war. Mein Haus ist nie leer. Ich habe das Glück, eine große Familie zu haben, darunter meine drei Schwestern, elf Nichten und Neffen, vier Großnichten und Großneffen, die immer gern zu Besuch kommen. Ich nehme sie mit zu Konzerten oder koche ich für sie, spiele mit ihnen oder wir futtern zusammen Cornflakes vor dem Fernseher. Ich glaube, ich bin ein guter Onkel.

eurovision.de: Vermissen Sie eine Lebensgefährtin?

Richard: Ich habe mich daran gewöhnt, allein zu leben und bin sehr froh darüber. Wäre ich verheiratet, würde ich mich auf meine Ehe konzentrieren wollen. Derzeit bin ich auf weltweiter Tournee unterwegs. Wenn da jemand zu Hause sitzen und auf mich warten würde, hätte ich ein schlechtes Gewissen. Wer so lange wie ich im Showgeschäft erfolgreich ist, kann das nur, wenn er hundertprozentig hinter seiner Musik und seiner Karriere steht. Es war aber nicht so, dass ich mich bewusst entschieden hätte, nie zu heiraten. Es hat sich einfach nicht ergeben.

eurovision.de: Sie haben viel Geld verdient. Wie wichtig ist Reichtum für Sie?

Richard: Ich besitze drei Häuser in England, Portugal und Barbados, habe mehrere Autos, esse in vornehmen Restaurants und kann mir teure Klamotten kaufen. Das ist natürlich sehr schön und man gewöhnt sich auch leicht an einen gewissen Lebensstandard. Aber ich stamme aus ärmlichen Verhältnissen und kann mich noch sehr gut daran erinnern wie es war, kein Geld zu haben. Als ich sieben Jahre alt war und mit meiner Familie von Indien nach England zog, hatte mein Vater acht englische Pfund in der Tasche. Davon musste er die ganze Familie ernähren. Ich werde das nie vergessen und weiß meinen Wohlstand daher um so mehr zu schätzen.

Aus diesem Grund ist es mir auch sehr wichtig, einen Teil meiner Einnahmen an bedürftige Menschen abzugeben. Bei meinen Gospeltourneen gehen zehn Prozent aller Einkünfte an die missionarische Hilfsorganisation "Tear Fund". Ich habe selbst zwei Wohltätigkeitsorganisationen und unterstütze damit gleich mehrere wohltätige Zwecke. Letzten Sommer habe ich in meinem Garten ein Open-Air Konzert für zwei Sterbe-Hospize gegeben, und es kamen dabei 50.000 Pfund zusammen.

eurovision.de: Sie haben nächstes Jahr Ihr 50. Bühnenjubiläum. Wie werden Sie feiern?

Richard: Jeder erinnert sich an die Band "Cliff & the Shadows". Es wäre also fantastisch, wenn wir für die Feier wieder zusammenkämen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 07.04.1973 | 21:00 Uhr

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