Brotherhood of Man: "Wir waren die ersten mit Choreographie"
Brotherhood of Man hatten 1976 mit "Save Your Kisses For Me" den erfolgreichsten Eurovisionshit überhaupt. Die vier Briten surfen heute noch auf der Erfolgswelle ihrer Hits aus den 70er-Jahren. Eurovision.de sprach am 31. Oktober 2006 mit dem Komponisten und Sänger Martin Lee (Foto: ganz rechts) über ihren Grand-Prix-Song, ihre Choreographie und einen Abba-Chartbreaker, den fast Brotherhood of Man gesungen hätte. Aber nur fast.
eurovision.de: Brotherhood of Man ist seit über drei Jahrzehnten zusammen. Wie schaffen Sie das?
Lee: Es sind mehr als 31 Jahre seit unserem Grand-Prix-Sieg vergangen und wir arbeiten fast 36 Jahre zusammen. Wir sind einfach gerne beisammen, wenn wir auf Tour gehen. Wir haben viel Spaß miteinander.
eurovision.de: Werden Sie immer noch mit Ihrem Grand-Prix-Gewinnerhit "Save Your Kisses For Me" von 1976 assoziiert?
Lee: Oh ja. Obwohl wir nicht immer genau wissen, welcher unserer Hits in welchem Land am erfolgreichsten war. Das müssen wir immer auf den alten Platten nachschauen.
eurovision.de: Treten Sie mit der gleichen Choreographie auf wie damals, mit dem typischen Handwinken?
Lee: Mehr oder weniger. Unser damaliger Manager stellte uns einen bekannten TV-Moderator und Choreographen zur Seite, Guy Ludman. Damals standen bei der Eurovision alle nur steif herum, zum Beispiel Cliff Richard. Als der Choreograph uns dann zeigte, was wir machen sollten, waren wir entsetzt. Hey, wir sind Sänger, keine Tänzer, haben wir gesagt. Ihr lernt das schon, sagte er. Wir mussten die komplette restliche Zeit bis zum Grand Prix die Bewegungen einstudieren.
eurovision.de: Sie waren eine der ersten Bands beim Grand Prix mit mehr als zwei Leuten.
Lee: Da gab es auch die Shadows oder Abba, jeweils mit vier Leuten. Aber wir waren die ersten mit einer Choreographie. Vorher kamen uns höchstens Abba am nächsten, mit ihren Hüten und Napoleonuniformen. Aber sie standen nur herum, während wir eine Choreographie hatten. Wenn Sie sich die Videoclips der 70er-Jahre anschauen, sehen Sie, wie sie alle kreuz und quer herumrennen. Vielleicht waren wir die Vorreiter dieser Sache.
eurovision.de: Hat sich der ESC sehr verändert seit den 70ern?
Lee: Er hat sich dramatisch verändert. Meine persönliche Meinung ist, dass sich zwar alles im Laufe der Zeit verändert, aber schlussendlich handelt es sich doch um einen Lieder-, nicht um einen Späßchen-Wettbewerb. Diese finnischen Outfits waren unglaublich, passen die wirklich zum ESC? Vielleicht werde ich einfach nur zu alt dafür. Aber es ist nun einmal ein Liederwettbewerb. Und wenn man seinen Titel nicht mit einem 30-köpfigen Orchester vortragen kann - vergiss es.
eurovision.de: Gibt es so etwas wie eine Eurovisions-Familie?
Lee: Wenn wir in Europa Fernsehauftritte haben, treffen wir andere Grand-Prix-Stars. Leute wie Katrina Leskanich oder Bucks Fizz. Nächstes Jahr haben wir eine Konzertreihe mit Bobby von Bucks Fizz in Großbritannien.
eurovision.de: Brotherhood of Man sind beim jüngsten deutschen Vorentscheid aufgetreten. Wie war das?
Lee: Das war doch der, wo Texas Lightning mit "No, No, Never" gewonnen haben, oder? Die waren fantastisch. Ich konnte es gar nicht glauben, wie gut die waren. Ich habe beim ESC sogar auf sie gewettet. Leider haben sie nicht gewonnen. Sie hätten es aber verdient. Eine sensationelle Sängerin und eine tolle Band.
eurovision.de: Welche Projekte haben Sie gerade?
Lee: Brotherhood of Man machen eine Pop und Rock Show mit Superhits der 70er, von Michael Jackson bis zu Sachen von uns. Parallel zur Musik gehen wir ausführlich auf den historischen Kontext der Stücke ein: Wer war in Großbritannien an der Macht, welche Werbung oder welche Mode war erfolgreich?
eurovision.de: Darin erzählen Sie eine wahre Anekdote über Abba. Wie lautet die?
Lee: Abba haben den Grand Prix 1974 erobert. Das Folgejahr war aber schrecklich für sie. Man sollte ja denken, ein Sieg beim ESC und - bumm - es geht los! So wie bei uns, wir hatten danach eine Serie von Hits. Abba hatten hingegen den Tiefpunkt ihrer Karriere. Also boten sie anderen Bands Lieder an, die sie geschrieben hatten. Uns haben sie auch eins angeboten - und wir haben abgelehnt.
eurovision.de: Welches war es denn?
Lee: Raten Sie mal: Mamma Mia! Also, so richtig abgelehnt haben wir natürlich nicht. Sie gaben uns das Lied, als wir mitten in einer Reihe von Studioaufnahmen steckten. Wir sagten ihnen: Wir schieben euren Song für die nächste Aufnahmereihe auf. Sie waren einverstanden. Dann gingen ein paar Monate ins Land und sie hatten immer noch keinen Hit. Also nahmen sie den Song 1976 selber auf. Den Rest kennen Sie. Es war natürlich ein Supererfolg.
eurovision.de: Bereuen Sie das im Nachhinein?
Lee: Nein, wie gesagt, wir hatten damals mehrere Top-Hits nacheinander.
eurovision.de: Komponieren Sie noch?
Lee: Zur Zeit nicht. Wir haben keinen Plattenvertrag. Und ohne Plattenvertrag kann man den besten Song der Welt schreiben, es nutzt aber nichts ohne die richtigen Leute im Hintergrund. Wir hatten unseren Spaß im Tonstudio und freuen uns, weiterhin international aufzutreten. Ab und zu dort hinzufahren, wo wir noch nie waren. Das könnte bis ans Ende unserer Tage so weitergehen.