Slowakei: Kamil Mikulcík & Nela Pocisková
Für die Slowakei ging in Moskau - frei nach Friedrich Schiller - endlich die schreckliche, grandprixlose Zeit zu Ende: Mit dem 21. Platz von Katarína Hasprová hatte sich das Land 1998 sang- und klanglos von der ESC-Bühne verabschiedet. Das slowakische Fernsehen schob während der selbstverordneten Pause finanzielle Gründe vor. Eine ebenso große Rolle dürften aber auch das mäßige Abschneiden der insgesamt drei slowakischen Kandidaten gespielt haben. Bei der Premiere 1994 landete das Duo Martin Durinda & Tublatanka auf Rang 19. Zwei Jahre später erzielte Marcel Palonder als Achtzehnter noch das beste Ergebnis.
Die Hoffnungen beim Comeback der Slowaken ruhten nun auf Kamil Mikulcík und Nela Pocisková. Das Duo setzte sich beim slowakischen Vorentscheid "Eurosong" in einem qualitativ wie quantitativ beeindruckenden Teilnehmerfeld durch. Die lokale Musikszene schien nur auf die Gelegenheit gewartet zu haben, sich endlich wieder einem europäischen Publikum präsentieren zu können: Statt der ursprünglich geplanten drei Halbfinalrunden mussten fünf durchgeführt werden, um dem großen Interesse der Künstlergemeinde gerecht zu werden.
Ballade schlägt Rock
Ebenso groß war das Interesse der Zuschauer: Fast 600.000 Slowaken saßen beim Finale des Vorentscheids vor dem Fernseher als Kamil Mikulcík und Nela Pocisková sich mit der kraftvollen Ballade "Let' Tmou" - was ins Deutsche übersetzt etwa "Flug durch die Nacht" heißt - sich in einem eher rockigen Starterfeld durchsetzten. Zunächst schickten die Televoter per SMS die beiden als ihre Favoriten in die Runde der besten drei. Dort wurde das Duo dann von den Juroren als Sieger abgesegnet.
Karriere zwischen Gesang und Schauspiel
Den weiblichen Gesangspart für den Siegertitel "Let' Tmou" steuert Nela Pocisková bei. Obwohl sie erst 18 Jahre alt ist, konnte die vielseitige Künstlerin beim Vorentscheid neben ihrer beeindruckenden Stimme auch eine gewisse Popularität in die Waagschale werfen. Sie ist eine gefragte Theaterschauspielerin, trat als Maria in dem Musical "West Side Story" auf und spielt in der slowakischen Fernsehserie "Praxis im Rosengarten" mit. Ganz nebenbei absolviert sie gerade ihr drittes Studienjahr am renommierten Staatlichen Konservatorium in Bratislava.
Fehlt noch die männliche Stimme des Duetts: Kamil Mikulcík ist wie seine Partnerin Pocisková mit mehr als einem Talent gesegnet. Der 31-Jährige gehört ebenfalls zum beliebten Personal der "Praxis im Rosengarten", reist als Mitglied des Theaterensembles der "Jakub Nvota's Reality Show" durch Tschechien und die Slowakei oder verdient sich sein Geld als Moderator von Radioshows und mit Auftritten in Werbespots. Kamil Mikulcík hat einen Abschluss im Fach Theater von der Akademie der Darstellenden Künste in Bratislava. In der slowakischen Hauptstadt hatte er sich auch einmal an der Universität für Wirtschaftswissenschaften eingeschrieben, aber die "brotlosen Künste" gewannen bei Mikulcíks Lebensplanung schließlich die Oberhand.
Die Musiker im Hintergrund
Offiziell schickte der slowakische Fernsehsender STV ein Duo zum 54. Eurovision Song Contest, aber eine sehr prominente Rolle fiel trotz Halbplayback den Begleitmusikern zu: Der Komponist von "Let' Tmou", Rastislav Dubovský, begleitete seine Schützlinge Mikulcík und Pocisková am Klavier. Der 32-Jährige ist Absolvent der Akademie für Musik und Drama in Bratislava und der Wiener Universität für Musik und Darstellende Künste. Wenn er nicht gerade sein Land beim Grand Prix vertritt, komponiert Dubovský erfolgreich Musik für Film, Fernsehen, Theater und Radio.
Der dritte Mann auf der Bühne ist Jan Pospísil am Cello. Für den angehenden Doktor der Musik führte der Weg nach Moskau über das Konservatorium im tschechischen Brno und die Akademie der Darstellenden Künste in Bratislava. Angesichts seiner Biografie ist es ein Rätsel, wie Pospísil Zeit für sein Engagement beim Contest gefunden hat. In Bratislava ist er erster Cellist im Orchester des slowakischen Nationaltheaters und arbeitet als Musiklehrer am Kirchlichen Konservatorium. Obendrein spielt er mit "Bratislava Klassik" und dem "Slowakisches Festival Orchester" in zwei Kammerorchestern.
Bei soviel geballter musikalischer Kompetenz, schienen die Slowaken im zweiten Halbfinale am 14. Mai eigentlich gar nicht scheitern zu können. Doch alles Hoffen half auch diesmal nicht. Die beiden knüpften nahtlos an die Misserfolge der Vergangenheit an und lösten ihr Rückflugticket in die Slowakei. Kleiner Trost: Zumindest um das Auskommen der Künstler brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Pocisková, Mikulcík, Dubovský und Pospísil sind auch ohne den Grand Prix in der Slowakei gut im Geschäft.