Raphael Gualazzi: De Niro als Songpate
Er ist der erste Teilnehmer Italiens beim Eurovision Song Contest seit 14 Jahren, Raphael Gualazzi. Der 29-jährige Barde aus dem norditalienischen Urbino unterhielt sich mit eurovision.de darüber, was musikalische Konkurrenz für ihn bedeutet und was sein Song mit Robert De Niro zu tun hat.
eurovision.de: Als Sie das Festival in Sanremo in der Kategorie Nachwuchspreis gewonnen haben - wussten Sie schon, dass Sie damit Italien beim Eurovision Song Contest repräsentieren sollen?
Gualazzi: Nein, es war eine Riesenüberraschung.
eurovision.de: Sie haben also während der Laudatio davon erfahren?
Gualazzi: Als ich nach der Verkündung meines Sieges auf die Bühne kam, hat man mir vor dem Publikum mitgeteilt, dass ich zu diesem fantastischen Wettbewerb gehen darf. Ein Festival, dem Italien seit vierzehn Jahren ferngeblieben ist. Ich fühlte mich sehr geehrt, diese Aufgabe zu übernehmen. Es ist doch fantastisch, dass Italien zurück ist. Übrigens nicht, um zu konkurrieren, sondern, um wieder dabei zu sein. Ich glaube nicht an den musikalischen Wettbewerb. Und ich glaube, es wird eine wichtige Erfahrung für mein Land und für mich.
eurovision.de: Woran glauben Sie dann?
Gualazzi: An jegliche Form der Zusammenarbeit. Hier geht es nicht um Sport. Zum Beispiel habe ich an Sanremo teilgenommen, um mein meine aktuelle CD "Reality and Fantasy" zu promoten.
eurovision.de: Sie haben den Song ja nicht für den ESC komponiert. Inwiefern hat sich das Lied "Madness Of Love" verändert, seitdem es für Düsseldorf bestimmt wurde?
Gualazzi: Das Lied ist nach wie vor dasselbe. Nur, dass wir das wegen der EBU-Regeln etwas kürzen mussten, aber die Arrangements sind gleich. Ich hatte schon vorher eine englischsprachige Version für das Ausland und die italienische Version für den nationalen Markt geschrieben. Für Düsseldorf habe ich eine zweisprachige Version gewählt, um sowohl unsere Tradition einzubringen, als auch den Musikstil zu zitieren, aus dem ich meine Inspiration beziehe. Das ist das Straight Piano, ein US-amerikanischer Musikstil.
eurovision.de: Stört es Sie, dass in der ESC-Geschichte bislang kein Lied aus dem Jazz- oder Swingbereich vorne gelandet ist?
Gualazzi: Man sollte die Beiträge nicht in verschiedene Genres unterteilen. Auf der anderen Seite ist es wunderschön zu beobachten, dass die Musik ihre Millionen Farben und unterschiedlichen Stile beibehalten hat. "Madness Of Love" ist ein jazziger Titel, ich habe aber auch andere Lieder auf meinem Album, die in Richtung Funk und Latin Jazz gehen. Ich bin für alle Klangfarben offen. Außerdem ist es nicht mein Problem, zu entscheiden, ob Jazz gut für den Song Contest ist, oder nicht. Ich hoffe eben, dass ich es genieße, ebenso wie das Publikum.
eurovision.de: Haben Sie Favoritensongs aus den anderen Nationen?
Gualazzi: Ich hatte noch nicht genügend Gelegenheit, in die Songs der anderen Teilnehmer reinzuhören. Ich freue mich darauf, mit ihnen in Düsseldorf zu sein. Noch weiß ich nicht viel über sie, die Zeit möchte ich mir in Deutschland nehmen. Außerdem möchte ich nicht oberflächlich, oder parteiisch sein. Und ich möchte keine feste Vorstellung von etwas haben, das viel besser ist, als ich es mir vorstellen kann.
eurovision.de: Wie nervös sind Sie wegen Ihres Auftritts vor den vielen Millionen Zuschauern?
Gualazzi: Wir Musiker sind tendenziell immer nervös. Gleichzeitig hat man mir beigebracht, dass ich vor einem einzelnen Zuschauer genauso auftreten soll, wie vor einer Million (lacht). Vor mehr als 100 Millionen Zuschauern wird es noch besser.
eurovision.de: Haben Sie denn schon ein bisschen Deutsch gelernt?
Gualazzi: (auf Deutsch) Wie heißt du? Wie alt bist du? (lacht)
eurovision.de: Verraten Sie uns, was es mit Robert De Niro in Ihrem offiziellen Videoclip auf sich hat? Er ist in einem Filmausschnitt mit Monica Bellucci zu sehen.
Gualazzi: Der Ausschnitt ist aus Giovanni Veronesis Komödie "Manuale d'amore 3", der im Frühjahr in Italien gestartet ist (mit großem Erfolg, der Film hat bereits mehr als drei Millionen Euro eingespielt, Anm. d. Red). Robert De Niro spielt darin mit. Mein Song "Madness Of Love" wurde für einige Szenen verwendet. Das ist für mich eine große Ehre, einen so renommierten Schauspieler wie De Niro in meinem Videoclip zu haben!
eurovision.de: De Niro diente Ihnen also indirekt als Song-Pate!
Gualazzi: (lacht) Ob er das so genau weiß, weiß ich nicht. Ich gehe davon aus.
eurovision.de: Haben Sie schon als Kind den Grand Prix im Fernsehen verfolgt?
Gualazzi: Um ehrlich zu sein, habe ich nie viel Fernsehen gesehen. Die letzten drei Jahre, seitdem ich alleine lebe, erst recht nicht. Ich habe schon immer viel Klavier gespielt. Musik zu spielen und zu komponieren ist das, was ich liebe.
eurovision.de: Wie wird der ESC jetzt in Italien wahrgenommen, nachdem das Big-Five-Land wieder dabei ist?
Gualazzi: Wahrscheinlich sind alle sehr glücklich. Aber das sollten Sie andere fragen, ich hatte noch nicht viel Gelegenheit, mit Außenstehenden darüber zu sprechen. Es ist schließlich alles so schnell passiert, ich kann das alles noch gar nicht fassen.
eurovision.de: Glauben Sie, dass Italien 2012 beim ESC bleibt, egal, wie es ausgeht?
Gualazzi: Ich hoffe es! Das ist nicht nur eine gute Erfahrung, das ist auch gut für Italien.
eurovision.de: Was steht bei Ihnen nach dieses Jahr noch auf dem Programm?
Gualazzi: Ich gehe auf ausführliche Tour durch Frankreich und Italien, darunter zum Jazzfestival Saint Germain in Paris, außerdem nach Nantes, Mailand und Rom.
eurovision.de: Dann danken wir für das Gespräch und bringen Ihnen einen wichtigen deutschen Ausdruck bei: Viel Spaß!
Gualazzi: Super, (auf Deutsch) viel Spaß! Danke!