Kreisiraadio
"Leto Svet", 2008 in Belgrad (Halbfinale)
Stand: 30.03.2008 20:29 Uhr

Estland: Kreisiraadio

Was darf die Satire? Kurt Tucholsky schickte seiner berühmten Frage gleich die Antwort hinterher: Alles! Mit dieser Regel im Hinterkopf sollten alle Grand-Prix-Fans den Auftritt von Estland im ersten Belgrader Halbfinale sehen.

Denn die estnischen Televoter haben bei ihrem nationalen Vorentscheid einen schrägen Humor bewiesen, als sie am 2. Februar 2008 der Komikertruppe Kreisiraadio zu einem deutlichen Sieg verhalfen. Die älteren Herren vom "Crazy Radio" lassen mit ihrem Siegertitel "Leto svet" die deutsche Spaßfraktion Guildo Horn und Stefan Raab im nachhinein so seriös aussehen wie die Mitglieder eines Kirchenchors.

Parodie mit sinnentleerten Texten

Verantwortlich für den parodistischen Frontalangriff auf den Grand Prix sind die fünf Herren Priit Pajusaar, Glen Pilvre, Hannes Võrno, Peeter Oja und Tarmo Leinatamm. Die letzten drei sind das Gesicht von Kreisiraadio und immerhin haben sie sich für den Contest drei Fahnen schwenkende Tänzerinnen zugelegt, die ein bisschen vom sinnentleerten Text ihres Beitrages ablenken.

Der Titel "Leto svet" ist serbisch und bedeutet Sommerwelt, was das Trio aber nicht davon abhält, in einem deutschen und einem finnischen Refrain das Sommerlicht zu preisen. Ansonsten geht es mit serbischen Wörtern wie Hummer, Kartoffeln und Bohnen eher kulinarisch zu.

Moderatoren, Politiker und Schauspieler

Kreisraadio treten für Estland beim Eurovision Song Contest 2008 an. © Ülo Joosing
Die Herren von Kreisiraadio lieben die Provokation.

Provokation hat bei Kreisiraadio Tradition: 1993 starten Hannes Võrno, Peeter Oja und Tarmo Leinatamm ihr Projekt beim ersten privaten estnischen Radiosender KUKU, dessen Motto "Radio für denkende Menschen" lautet. 2001 gelingt der Sprung vom Radio zum öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ETV.

Überraschend sind die Biografien des Trios. Peeter Oja kam am 2. Juli 1960 in Tallinn zur Welt und ist hauptberuflich Schauspieler. Hannes Võrno, am 1. Mai 1969 in Rakvere geboren, beweist sein Talent auch als Modedesigner und Moderator - unter anderem in der estnischen Version von "Wer wird Millionär". Sein Kollege Tarmo Leinatamm, der am 2. September 1957 in Keila zur Welt kam, zählt zu den vielseitigsten Dirigenten seines Landes, dessen Repertoire von der Oper bis zum Musical reicht. Und dann ist da noch die Politik: Võrno und Leinatamm waren beide Abgeordnete des estnischen Parlaments.

Der erste Eindruck täuscht bei Kreisiraadio also gewaltig: Für Estland sind keine Leichtgewichte im ersten Halbfinale angetreten. Dennoch konnten sich das Publikum bei der Abstimmung offenbar nicht mit dem satirischen Ansatz anfreunden - Kreisiraadio landete nicht unter den zehn Platzierten für das Finale in Belgrad.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 24.05.2008 | 21:00 Uhr

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