Bosnischer Vierer bietet buntes Balkan-Potpourri
Nach drei Jahren ESC-Abstinenz herrschte allseits große Freude über die Rückkehr von Bosnien und Herzegowina. Möglich gemacht haben die Teilnahme vor allem Sponsoren, denn der bosnische Sender BHRT ist mehr als klamm. Das intern ausgewählte Aufgebot des Balkanlandes klingt nach Klotzen nicht Kleckern: Gleich vier gestandene Künstler gingen mit dem Song "Ljubav je" (Liebe ist) des - überwiegend in Schweden lebenden - Komponisten Almir Ajanović ins Rennen. Darunter ist mit Fuad Backović, besser bekannt als Deen, ein alter Bekannter - 2004 in Istanbul belegt er mit "In The Disco" und einem sexy Hüftschwung Platz neun. Hinzukommen Dalal Midhat Talakić, die schon für Papst Franziskus gesungen hat, der Rapper Jala, er hat den Song auch produziert, und die kroatische Cellistin Anna Rucner.
Rapper Jala stößt als letztes zum Quartett
Der bosnische Vierer bringt also jede Menge Erfahrung im Musikgeschäft mit. Dalal und Deen, die seit über 20 Jahren gute Freunde sind, haben ihre Karrieren nicht als Solokünstler gestartet. Die Sängerin feiert zunächst Erfolge mit dem Duo Errato, Deen ist Frontmann der Boygroup Seven Up, die über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist und zahlreiche Auszeichnungen erhält. Jasmin Fazlić, der sich Jala nennt, gründet die Hip-Hop-Gruppe BluntByon. Zunächst ist der 29-Jährige nicht für Stockholm vorgesehen, als Mitautor von "Ljubav je" darf er dann doch mit an Bord. Alle drei Bosnier stammen aus der Hauptstadt Sarajevo. Bleibt noch Anna Rucner: Die Kroatin wächst in einer Familie von Cellisten und Geigern in Zagreb auf. Sie ist Mitglied des Philharmonischen Orchesters im slowenischen Maribor und tritt weltweit auf.
Balkan-Ballade mit Rap gewürzt
Herausgekommen ist ein buntes Balkan-Potpourri: "Ljubav je" steigt mit einem orientalisch klingenden Solo von Rucner auf dem Cello ein, das Instrument mutet übrigens wie ein Skelett an. Dann stimmen Dalal und Deen ein poppiges Duett in der Landesprache an. Was anschließend folgt, ist ein bisschen wie ein Fremdkörper - musikalisch und optisch. Der bärtige Jala präsentiert mit der typischen Gestik eines Rappers seinen Sprechgesang - und zwar auf Bosnisch. "I like", "Good job" - insgesamt kommt das Stück bei den Fans in den Foren gut an, nur mit Jalas Part können sich die Hörer nicht so recht anfreunden. Er passe nicht zu dieser "schönen Balkan-Ballade".
Zu viel Schärfe vor dem Finale?
Um im Jargon zu bleiben - viele Köche können manchmal den Brei verderben. Rund einen Monat vor dem großen Finale in Stockholm ist von Liebe wenig zu spüren, und das Balkanland stellt sich beinahe selbst ein Bein. Was ist geschehen: Im Anschluss an eine Show für einen bosnischen TV-Sender zettelt Komponist Ajanović einen Streit mit Jala an, bei dem Fäuste und Flaschen fliegen. Leidtragender ist ein ESC-Unbeteiligter: der bosnische Sänger Šaćir Ahmeti, der dabei verletzt wird. Als Konsequenz fliegt Ajanović aus der Delegation und darf nicht mit nach Stockholm.
Hier hat der bosnische Vierer versucht, die Musikwelt zu überzeugen. Zu zeigen, dass verschiedene individuelle Stile zusammenpassen. Und auch wenn die Musiker Dalal und Deen finden, dass genau diese Mischung das Ganze doch interessant mache, das Publikum urteilte anders und wählte die bunte Truppe im ersten Halbfinale aus dem ESC.