Alma: Ein modernes Requiem französischer Art
Düstere Kirchenmusik, eine klassische Komposition und viel Tragik - das sind Assoziationen, die der Begriff Requiem hervorrufen dürfte. Doch Almas gleichnamiger Song bricht mit dieser Erwartung. Der ESC-Beitrag "Requiem" ist ein schnelles, eingängiges und modernes Popstück - gesungen von einer jungen, bisher unbekannten französischen Künstlerin, die auch optisch besser auf eine große Bühne als an eine Kirchenorgel passt.
Für die Musik nach Paris
Am 27. September 1988 kommt Alexandra Maquet in Lyon zur Welt. Bereits als Kind lernt sie das Leben in Ländern außerhalb ihrer Heimat kennen - sie verbringt mit ihrer Familie Zeit in den USA, Brasilien und Italien. Und auch die erwachsene Alexandra zieht es ins Ausland. Nach einem Abschluss in Betriebswirtschaftslehre geht die Französin für ein Jahr nach Mailand. Dann beschließt sie, sich auch beruflich ihrer Leidenschaft zu widmen: der Musik. Um diesen Traum zu verwirklichen, zieht sie nach Paris und arbeitet dort an ihrer Gesangskarriere.
In der französischen Hauptstadt lernt die junge Sängerin Songschreiber Nazim Khaled kennen und unterzeichnet einen Plattenvertrag bei Warner Music. Zusammen mit Khaled entsteht "La Chute est Lente" - ihre erste Single, die sie unter dem Künstlernamen Alma im Juni 2016 herausbringt. Die Zusammenarbeit der beiden scheint gut zu funktionieren, denn der Songschreiber steuert anschließend mehrere Stücke für ihr Debütalbum bei, das kurz vor dem Song Contest in Kiew am 5. Mai 2017 erscheint. Und auch Almas ESC-Titel "Requiem" stammt von Khaled. In der Eurovisions-Welt ist der ohnehin kein Unbekannter. An Frankreichs Song-Contest-Beitrag aus 2016 ist er ebenfalls beteiligt - als Produzent und Ko-Autor. Kandidat Amir schafft es damit in Stockholm auf den sechsten Platz - das beste Resultat für die Franzosen seit 2002.
Gegen 300 Bewerber durchgesetzt
Dass sie Frankreich beim Eurovision Song Contest vertreten darf, hat Alma selbstverständlich ihrer Stimme, aber auch einem öffentlichen Auswahlverfahren zu verdanken - im vergangenen Jahr setzen die Verantwortlichen noch auf eine interne Auswahl. Für das diesjährige Auswahlverfahren sind nur Songs zugelassen, die zu 80 Prozent französischen Text haben. Damit bleibt sich Frankreich beim ESC selbst treu, denn ein paar englische Textzeilen im Song-Contest-Beitrag "J'ai cherché" von 2016 gleichen bei diesem Teilnehmerland schon einer kleinen Kulturrevolution. Auf der Suche nach dem ESC-Beitrag für Kiew folgen etwa 300 Sängerinnen und Sänger dem Aufruf des Senders France 2 und reichen einen Song ein.
Alma kann das Auswahlkomitee mit französischem, modernem Pop von sich überzeugen. Zunächst ist nur die Radio-Version des Songs abrufbar, die gibt aber schon mal einen Vorgeschmack auf den endgültigen ESC-Beitrag. Das Lied setzt sich zwar wie traditionelle Requiems auch mit dem Tod auseinander, klingt aber trotzdem nicht düster und schwer. Im Gegenteil: Dieses moderne Requiem französischer Art wirkt fast schon fröhlich-beschwingt, das Leben liebend und jeden Moment auskosten wollend. Von Endzeitstimmung keine Spur.