Votingunregelmäßigkeiten beim ESC-Juryvote - Länder wehren sich
Die Europäische Rundfunkunion (EBU) hat Unregelmäßigkeiten beim Juryvote im zweiten Halbfinale des Eurovision Song Contest 2022 festgestellt. Sechs Länder hätten in auffälliger Weise füreinander gestimmt.
Laut der EBU, die den ESC organisiert, handelt es sich dabei um Aserbaidschan, San Marino, Polen, Georgien, Rumänien und Montenegro. Drei dieser sechs Länder haben das ESC-Finale erreicht. Im zweiten Semifinale am 12. Mai haben vier der sechs Jurys die anderen fünf Länder in ihre Top fünf gesetzt, eine der Jury wählte die anderen in die Top sechs und eine in die Top sieben. Besonders auffällig daran: Bei den anderen 15 stimmberechtigten Jurys wurden die meisten dieser Länder nicht unter die besten acht gewählt. Die EBU hat daraufhin die Stimmen dieser sechs Jurys im zweiten Halbfinale nicht gewertet und durch berechnete Punkte ersetzt. Im Finale wurde mit diesen sechs Ländern genauso verfahren.
Wie die EBU Unregelmäßigkeiten aufdeckt
Aufgefallen sind diese Unregelmäßigkeiten sowohl den Abstimmungspartnern des ESC als auch einer unabhängigen Beobachtungsstelle. "Eine Unregelmäßigkeit im Abstimmungsverhalten der Jury in einem solchen Ausmaß ist beispiellos", hieß es daraufhin von der EBU. Damit ein Voting als irregulär gilt, müssen zwei der folgenden fünf Punkte zutreffen: Gibt es Abweichungen von dem allgemeinen Geschmack der anderen Jurys, Abstimmungsmuster, Regelverstöße bei der Abstimmung, wiederkehrende Muster in mehreren Ländern oder klar Begünstigte? Die Entscheidung, die sechs Juryvotes im Einklang mit den Regeln des ESC zu streichen, wurde vom Vorsitzenden der ESC Reference Group und dem stellvertretenden Generaldirektor der EBU bestätigt.
Sechs beschuldigte Länder wehren sich
Alle sechs Rundfunkanstalten der beteiligten Länder haben mittlerweile öffentlich auf die Annullierung ihrer Juryergebnisse geantwortet. Eine Manipulation hat keine zugegeben - vielmehr stellen sie das Verhalten der EBU infrage. Am deutlichsten ist die Reaktion von TVR aus Rumänien: "Nach dem Imageschaden, der dem Fernsehsender nun eingebracht wurde, denken die Verantwortlichen von TVR über einen Rückzug Rumäniens von den zukünftigen Ausgaben des ESC nach - und darüber, rechtliche Schritte gegenüber den Organisatoren des ESC einzuleiten." Außerdem ärgert man sich in Rumänien darüber, dass man zur Punktevergabe nicht ins Land geschaltet hat. Bei drei der sechs Jurys verlas ESC-Executive-Supervisor Martin Österdahl aus der Halle in Turin die Punkte. Ein technisches Versagen der Leitung, wie in der Live-Show vorgegeben, gab es aber nicht, heißt es aus Rumänien.
Drei der sechs Länder wären ohnehin rausgeflogen
San Marinos SMRTV bezeichnet die Entscheidung der EBU als "autoritär" und stört sich daran, dass diese vorher nicht mit den sechs Ländern abgesprochen worden sei. Ähnlich äußert sich İctimai Television aus Aserbaidschan: "Wir hoffen, dass die Situation bald gelöst wird, vorausgesetzt, dass die Gerechtigkeit siegt", heißt es in einem Statement aus Baku. Aserbaidschan ist das erste Land in der ESC-Geschichte, dass mit null Punkten aus dem Semi-Televote dank des Jury-Ergebnisses trotzdem das Finale erreicht hat. Tatsächlich wären aber auch ohne den Eingriff der EBU ins Voting die exakt gleichen zehn Länder ins ESC-Finale gekommen - drei der beschuldigten sechs Länder, nämlich Montenegro, San Marino und Georgien, wären also auch so im Halbfinale hängengeblieben.