"Meine Welt ist die Musik": Doku über Komponist Christian Bruhn
Er ist eine Komponistenlegende in Deutschland, liebt Klassik und den Jazz: Christian Bruhn. Geboren 1934 bei Hamburg, hat der bald 90-Jährige früh seinen Weg als Musiker eingeschlagen und ist untrennbar mit der Geschichte des Eurovision Song Contest verbunden.
Er hat mehr als 2.000 Lieder komponiert, darunter die Titelmelodien von Serien wie "Wickie und die starken Männer", "Captain Future", "Heidi" und "Patrick Pacard" sowie Hits wie "Marmor, Stein und Eisen bricht" und "La Paloma ade". Die Melodien sind im kollektiven Bewusstsein der Deutschen verankert. Am 30. März 2023 wurde er in Berlin mit dem Deutschen Musik*autorinnenpreis für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Die Dokumentation "Meine Welt ist die Musik" von Marie Reich aus dem Jahr 2019 ist eine Hommage, in der viele seiner Wegbegleiter zu Wort kommen: Ralph Siegel, Katja Ebstein, die 1970 beim Eurovision Song Contest Dritte wurde mit "Wunder gibt es immer wieder". Ein Gespräch mit Christian Bruhn vor dem vom Kinostart der Dokumentation in 2019 über Musik, den Song Contest und Hamburg.
Was flößt mehr Respekt ein: Vor Millionen Zuschauern ein Orchester zu dirigieren bei Eurovision Song Contest oder im Mittelpunkt eines Kino-Dokumentarfilmes zu stehen?
Christian Bruhn: Wo ich mehr erschüttert bin, meinen Sie? Nein, wenn man das 1.000 Mal gemacht hat, gehört vor dem Orchester zu stehen zum Beruf. Ich habe noch nie einen Film über mich selber gesehen, aber ich habe mich öfter in Fernsehshows gesehen und kenne meine Stimme, seit ich das erste Tonbandgerät hatte. Ich habe mich da reingefunden. Es war nicht so schwierig, wie man vielleicht dachte.
Welche Erinnerungen haben Sie 1970 an den Song Contest in Amsterdam?
Bruhn: Ich fange mal vorne bei der Probe an, da konnte der Organist diese Phrase, diese jazzige Phrase, die konnte er nicht richtig spielen. Ich habe sie ihm vorgespielt, es hat aber nichts genützt. Ich hatte eine Anpressung von der Platte dabei, dann konnte er bis zum nächsten Tag üben. Dann hat er es schön gespielt. Dann war ich ein bisschen zu langsam beim Tempo und habe dem Schlagzeuger gesagt, "Tempo anziehen"!. Im Wettbewerb waren wir ziemlich weit hinten und haben ganz am Schluss auf Nummer drei aufgeholt. Ich stand im Gang, weil ich so nervös war und habe richtig gezittert und war sehr froh, dass wir Nummer drei geworden sind.
Verfolgen Sie den Song Contest noch?
Bruhn: Ja, das ist ja eine wunderbare Liveshow mit Licht. Ich warte immer noch, dass mal ein Elefant auf die Bühne kommt. Das ist noch nicht da gewesen (lacht). Ich schaue gern zu, das hat Tradition und es gibt immer wieder gute Sachen.
Welche zuletzt?
Bruhn: Conchita Wurst war eine hervorragende Nummer. Nur als Beispiel.
Sie möchten lieber mit Ihren Melodien auf der Straße gepfiffen werden, als erkannt zu werden, sagen Sie im Film. Was hat Sie dazu bewogen, bei der Dokumentation mitzumachen?
Bruhn: Ich habe gedacht, "nun bist du im 85. Lebensjahr und dein Zenit ist lange vorbei." Aber so ein bisschen Bestätigung könnte es schon geben. Ich habe sofort zugestimmt.
Im Film sind Sie sogar bei einer Aufnahme mit eigenem Gesang zu hören, mit dem Lied "Die Sänger der Romantik".
Bruhn: Das war ein Song, den ich dem Udo Lindenberg angeboten hatte. Er hat es leider nicht genommen. Die Produktion fand das Lied so schön, dass wir das im Film noch einmal im Studio aufgenommen haben.
Sie erzählen auch, dass Sie Ihre Ausbildung als Maler in Hamburg sehr geprägt hat. Inwiefern?
Bruhn: Ich habe eine grafische Begabung und kann auch sehr gut eine Farbe nachmischen. Nach wie vor kriege ich den Farbton genau hin. Die Lehre lag also nahe, weil ich zum Abitur zu dumm oder zu faul war (lacht). Sie war eine Zwischenstation, die mir sehr geholfen hat, weil ich endlich mal unter Menschen kam, die wirklich arbeiten mussten. Das war wichtig für meinen Werdegang.
Ihr Vater war wegen seines Kunstverlages mit berühmten Künstlern befreundet, haben Sie die kennengelernt?
Bruhn: Mein Vater war befreundet mit August Macke, mit Edwin Scharff, er kannte auch das Ehepaar Modersohn. Er hatte einen Kunstverlag. Dieser wurde 1933 wegen so genannter entarteter Kunst geschlossen. Dann hat er uns redlich als Kaufmann über die zwölf nächsten Jahre gebracht, während wir in Kärnten waren. Nach dem Krieg hat er einen Buchverlag gegründet, der zunächst sehr erfolgreich war, weil die großen Verlage noch nicht wieder offen waren.
Ihren ersten Auftrag für eine Filmkomposition haben Sie in Hamburg erhalten ...
Bruhn: ... völlig richtig, von Werner Grassmann, der das Abaton-Kino gegründet hat. Das war ein kleiner Dokumentarfilm namens "Ware unterwegs". Da haben wir in einem Trio die Musik gemacht. Es ging im Film darum, wie im Hamburger Hafen Ware umgeschlagen wird. Ein sehr trockenes Thema. Neulich war ich in einem Kino an der Oper, im Metropolis. Da war Werner Grassmann auch dabei und hat er seinen alten Film vorgeführt. Das war sehr lustig.
Wie geht es Ihnen damit, wenn Sie ständig auf dem Oktoberfest, in den Alpen, auf der Straße, im Fernsehen Ihre Kompositionen hören?
Bruhn: Das ist der Zweck, das ist mein Beruf! Dass, wenn ich auf das Oktoberfest komme, oder auf den Hamburger Dom, die Kapelle meine Sachen spielt. Das war mein Ziel. Ich habe schon mit 15 Jahren einem Hamburger Musikverlag Schlager angeboten, die haben sie nur nicht genommen.
Sie haben mit dem Dokumentarfilm bereits Premiere in München gefeiert und vor ausverkauftem Kino in Berlin und in anderen Städten. Wie fühlt sich das an, mit im Publikum zu sitzen?
Bruhn: Das Gefühl, das ein Publikum minutenlang klatscht nach dem Film, das rührt einen schon. So viel hat man eigentlich nicht erwartet.
Die Fragen stellte Patricia Batlle.
Der Dokumentarfilm "Meine Welt ist die Musik - Der Komponist Christian Bruhn" von Marie Reich startete im Januar 2019 im Kino.