Stand: 21.12.2012 17:00 Uhr

"Man muss jeden Einzelfall prüfen"

In den vergangenen Tagen hat die Fangemeinde des Eurovision Song Contest viel diskutiert - über Liedausschnitte von Teilnehmer-Songs, die schon vor dem 1. September zu hören waren, über die richtige Sprache eines ESC-Beitrags und über die Zukunft des nationalen Vorentscheids. Thomas Schreiber, Unterhaltungschef der ARD, äußert sich im Gespräch über aktuelle ESC-Entwicklungen zu Sprachvorgaben, die diskutierten Liedausschnitte und das Projekt deutsches "Melodifestivalen".

Herr Schreiber, die meisten der zwölf Acts in Hannover werden ihre Songs auf Englisch singen. Warum nicht häufiger auf Deutsch?

Thomas Schreiber, ARD Koordinator Unterhaltung © NDR Foto: Marcus Krüger
Für die Vorentscheid-Kandidaten gibt es keine sprachlichen Vorgaben, erklärt ARD Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber.

Thomas Schreiber: Es gibt ja gute Gründe, vor einem internationalen Publikum Englisch zu singen, aber die Serbin Marija Šerifovic zum Beispiel hat auch in ihrer Landessprache gesungen - und den ESC des Jahres 2007 gewonnen. Deshalb gibt es für den deutschen Vorentscheid keine sprachlichen Vorgaben. In Hannover werden wir vier Sprachen hören: Zwei Lieder auf Deutsch, die meisten auf Englisch, aber eben auch Lateinisch (Die Priester feat. Mojca Erdmann) - und Bayerisch mit LaBrassBanda.

Achten Sie als Koordinator dieser Show darauf, dass Deutsch als Sprache nicht verloren geht?

Schreiber: Ich mache keine Vorgabe, aber die Erwartung, mit einem deutschsprachigen Titel in Malmö gewinnen zu können, halte ich für überschaubar.

Hat die ARD bei der Reference Group der European Broadcasting Union (EBU) eine Sonderregelung für einige der Lieder erwirken müssen, weil diese in roherer Form schon vor dem 1. September zu hören waren?

Schreiber: Nein, ich habe den EBU-Regeln folgend den Executive Supervisor Jon Ola Sand informiert, dass in einzelnen Fällen Bruchstücke oder frühere andere Versionen von Songs im Internet auftauchen. Es gibt ja eine Regeländerung im Vergleich zu früheren Jahren, die versucht, die Wirklichkeit ein Stück weit realistischer abzubilden. Es kommt sehr häufig vor, dass junge Musiker, die versuchen ihren Weg in der Welt zu finden, Demos oder frühe Versionen von Songs irgendwo mal aufgeführt haben. In einem solchen Fall kann geprüft werden, ob es sich dabei um einen Regelverstoß handelt.

Die Regel besagt, dass teilnehmende Songs nicht vor dem 1. September 2012 veröffentlicht sein dürfen.

Schreiber: Ja, und das hat den Zweck, Wettbewerbsvorteile zu verhindern. Als Beispiel: Hat einer einen internationalen Hit und meldet sich dann mit diesem Hit beim ESC an, muss man die Einzelfälle prüfen. Jon Ola Sand konnte in den von mir genannten Beispielen meine Argumentation nachvollziehen. Den EBU-Regeln zufolge kann er alleine entscheiden, hat aber - da die Ausnahmeregelung in diesem Jahr das erste Mal gilt - die Reference Group um ein Votum gebeten. Dieses Votum war für uns positiv.

Haben Sich sich zuvor intern wegen dieser Regel gegen einen Musiker und seinen Song entscheiden müssen?

Schreiber: Tatsächlich ja. In einem anderen Fall als den jetzt öffentlich bekannten, hatten wir einen Musiker, den wir intern bereits benannt hatten und wieder zurückgezogen haben. Er hatte seinen Song vor dem Stichtag einmal in einem regionalen Fernsehstudio performt und sein Video ebenfalls vor dem 1. September online gestellt.

Prüft die ARD darüber hinaus alle Lieder daraufhin, dass sie nicht die Regeln der politischen Neutralität verletzen?

Schreiber: Ja.

Wenn der Vorentscheid am 14. Februar in Hannover eine erste "Fassung" eines deutschen "Melodifestivalen" ist: Haben Sie schon begonnen, Arenen für die Shows des Jahres 2014 zu akquirieren?

Schreiber: Wenn ich mich jetzt öffentlich dazu äußere, macht das die Hallenpreise nicht niedriger.

Könnten diese Hallen überall in Deutschland sein - oder hauptsächlich im Sendegebiet des NDR?

Schreiber: Der deutsche Vorentscheid für den ESC ist keine regionale, sondern eine nationale Aufgabe und soll überall in Deutschland stattfinden können.

 

Das Interview führte Jan Feddersen, eurovision.de

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 18.05.2013 | 21:00 Uhr