Stand: 26.10.2018 13:24 Uhr

Soll Conchita wirklich sterben?

Porträt von Künstlerin Conchita Wurst © conchitawurst.com / Jansenberger Fotografie
ESC-Experte Jan Feddersen hat Conchita zu ihren aktuellen Plänen befragt.

Conchita Wurst hat 2014 in Kopenhagen mit "Rise Like A Phoenix" den 59. Eurovision Song Contest gewonnen. Die österreichische Drag Queen, mit bürgerlichem Namen Tom Neuwirth, ist danach zu einer der prominentesten Figuren der modernen ESC-Geschichte geworden - ein Star, der öffentlich auch weit über die Grenzen der Heimat für Diversität und Toleranz eintritt. Nun hat sie ihr zweites Album veröffentlicht. Auf "From Vienna With Love" finden sich sinfonisch arrangierte Lieder aus dem Fundus hymnischer Popklassiker: "All By Myself", "Moonraker", der Hildegard-Knef-Evergreen "Für mich soll’s rote Rosen regnen" und selbstverständlich in einer neuen Klangfarbe ihr ESC-Gewinnersong. Unmittelbar nach der öffentlichen Premiere des Albums bei einem Galakonzert im Wiener Konzerthaus hat sie im Interview über die Auswahl der Titel gesprochen und verraten, wie es mit der Kunstfigur "Conchita" weitergeht.

Conchita, wie geht es dir heute nach dem Galakonzert im Wiener Konzerthaus?

Conchita: Mir geht es gut, ich habe gerade ein wahnsinnig emotionales Konzert hinter mir. Das war eine echte Herausforderung. Die eigene Familie und Freunde in der ersten Reihe - das muss ich erst mal aufarbeiten. Es war ein Abend, an dem eine lange Reise endete - mit den Wiener Symphonikern als Krönung live.

Was war für dich das Besondere?

Conchita: Die Lieder dieses zweitens Albums sind daraufhin ausgesucht worden, dass sie mir entsprechen. Lieder, die mich mein Leben lang begleiteten, die immer in mir waren. Und diese jetzt im Wiener Konzerthaus zu singen, war wie eine emotionale Reise durch mein Inneres. Und mit angeschlagener Stimme, das war schon speziell.

Was hat es dir bedeutet, in diesem noblen Haus zu singen?

Conchita: Wie soll ich sagen? Ich finde mich immer wieder in Situationen, wo ich mich frage: Weshalb bekomme ich jetzt solche Geschenke gemacht - eben mit diesen Musikern, einem der berühmtesten Orchester der Welt, zu konzertieren und dann noch auf dieser Bühne? Ich werde mich immer an diesen Abend erinnern. Ich badete in Adrenalin!

Welche Bedeutung hat dieses zweite Album für dich?

Conchita: Es ist viel authentischer als mein erstes Album. Die Lieder sind auch nicht von mir geschrieben, aber sie sind wie die Herztöne meines Lebens. Auf meinem ersten Album waren viele gute Popsongs, aber ich war mit ihnen emotional nicht verbunden. Wenn ich nun "All By Myself" oder "Colors Of The Wind" singe, kommen sie direkt aus meiner Seele.

Als wir das letzte Mal miteinander sprachen, kündigtest du an, Conchita Wurst als Figur mehr und mehr hinter dir zu lassen, mehr der pure Tom Neuwirth zu werden, wie du jenseits der Bühne heißt. Wie steht es denn damit heute?

Conchita: Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Ich denke nicht mehr darüber nach, ob ich noch diese Figur, die Conchita Wurst ist, bin. Ich bin mit der Aussage, dass Conchita Wurst gehen könnte, in ein Schwarz-Weiß-Denken geglitten, und das will ich nicht mehr. Diese ultimativen Fragen, dieses Bestehen darauf, dass ich etwas zu klären habe, möchte ich nicht mehr. Conchita war immer in mir, sie wird bleiben - nur kommen jetzt neue Facetten hinzu, aber Conchita wird durch diese nicht gelöscht. Ich als Mensch mache einfach weiter. Dieses Nachdenken über das, was war, brauche ich nicht. Ich mache nur noch das, worauf ich Lust habe.

Mit anderen Worten: Wir können uns noch für längere Zeit auf Conchita Wurst einstellen.

Conchita: (lacht herzhaft) Ja! Ihr werdet mich nicht los.

In Dresden wirst du am 18. November bei den Jazztagen auftreten - mit Sinfonikern?

Conchita: Nein, mit einer Band, es wird kein Setting im Stil klassischer Musik.

Einige Konzerte in Deutschland sind jedoch abgesagt worden?

Conchita: Ja, vorige Woche, durch einige Veranstalter. Es war emotional eine wirklich anstrengende Woche. Es war für meine Fans und mich ein Desaster. Das neue Album vor ausverkauftem Konzerthaus in Wien einerseits, andererseits die Absagen aus Deutschland: Ich hoffe, dass ich eines Tages diese Konzerte nachholen darf, das bin ich meinen Fans schuldig.

Du bist eine der populärsten Stars der Eurovisionsgeschichte, aber es ist auch für dich weniger geworden mit der öffentlichen Präsenz. Ist das schmerzlich, dass der Rausch der Berühmtheit mit und nach dem ESC auch etwas abklingt?

Conchita: Nein, schmerzlich nicht. Ich habe ja immer noch zu tun. Das Sinfonikerprojekt zählt dazu, es war ein Meilenstein in meiner Karriere, den ich gesetzt habe. Ich weiß, dass ich kreativ sein möchte - ich kann einfach nicht anders. Wenn die Menschen das nicht annehmen möchten, dann habe ich das zu akzeptieren. Das schmerzt nicht, davon ist nicht mein Glück abhängig. Ich bin ein sehr lösungsorientierter Mensch.

Und das heißt?

Conchita: Wenn Konzerte abgesagt werden, dann habe ich mehr Zeit, im Studio an meinem dritten Album zu arbeiten, um meinen Fans etwas zu bieten. Es gibt für großen Erfolg nie eine Garantie. Ich war ja mal Teil der Boyband Jetzt Anderes!, die löste sich auf, weil sie nicht mehr funktionierte. Jedenfalls hoffe ich, dass ich meine Rechnungen immer bezahlen kann. Ich habe keine Angst vor der Zukunft.

Dieses Thema im Programm:

NDR Blue | ESC Update | 27.10.2018 | 19:05 Uhr

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