Der ESC-Fahrplan für Fans und Journalisten
ESC-Fans sitzen längst auf gepackten Koffern: Der Weg nach Wien ist für alle ähnlich lang oder kurz - die Hauptstadt Österreichs liegt ja in der Mitte Europas. Was aber macht ein Fan, der zum 60. Eurovision Song Contest reist? Auf welche Strukturen muss er sich einlassen? Hat er ein Hotelzimmer gebucht oder mit Freunden ein Appartement? Er sollte in jedem Fall eine SIM-Karte mit österreichischer Geltung erwerben, um durch Roaming-Gebühren nicht in die Verarmung getrieben zu werden. Ebenso ist zu prüfen, ob die Herberge für die zwei Festivalwochen einen WLAN-Anschluss hat.
Erfahrene Fans achten auf die nötigen Getränke - und nicht einmal alkoholische. Wer sich von morgens bis abends dem Regime des ESC unterwirft, sollte das mit so geringem Alkoholgehalt im Blut tun wie irgend möglich. Wasser ist das perfekte Getränk - das Wiener Trinkwasser ersetzt Kaufsorten. Tipp: Die grünen Plastikflaschen vom ESC in Malmö mitnehmen und wiederverwenden - ist doch auch ein Brückenschlag!
Termine immer im Blick
Dann gilt es, sich einen Terminüberblick zu verschaffen. Die ersten Proben beginnen am Montag, den 11. Mai, um 12 Uhr mittags mit dem Act aus Moldau. Die ersten acht Acts aus dem ersten Halbfinale werden eine Art Stellprobe auf der Bühne absolvieren. Akkreditierte Fans und Journalisten dürfen nicht direkt in der Halle zuschauen. Im Pressezentrum jedoch geben die Länder nach ihren ersten Rehearsals sogenannte Meet and Greets. Keine Pressekonferenzen, aber Grußbotschaften!
Auch das Pressezentrum ist ab Montag Mittag geöffnet. In diesem dürfen offiziell nur Journalisten arbeiten. Sie müssen ihre Computer mitbringen. WLAN wird in ausreichender Stärke vorhanden sein. Fans dürfen den Teil, in dem gearbeitet wird, nicht betreten. Im Pressezentrum in der Stadthalle wird es diese Meet and Greets, im Laufe der Probenwochen dann auch die Pressekonferenzen geben.
So geht es auch am Dienstag (12. Mai), Mittwoch (13. Mai) und Donnerstag (14. Mai) zu. Es gibt Proben, bei denen von Fans und Journalisten niemand in der Halle dabei sein darf, nur die offiziellen Delegationsmitglieder. Am Freitag (15. Mai) startet für die Halbfinalisten der zweite Probendurchlauf - mit jeweils anschließender Pressekonferenz.
Pressekonferenzen gleichen Fanveranstaltungen
Es sind oft, aber nicht immer, echte Journalisten, die Fragen stellen. Man muss aber damit rechnen, dass die gestellten Fragen allesamt keine sind, sondern Beifallsbekundungen. Muster: "Hallo Soundso, ich muss sagen, du warst heute in Weltklasseform. Glaubst du an deinen Sieg?" Oder: "Ich komme von den freien Radios Nordspaniens - wird es von Ihrem Lied eine katalanische Fassung geben?" Gern wird auch der Satz formuliert: "Wie finden Sie Wien - ist es nicht hübsch?" Journalisten dürfen standesgemäß niemals applaudieren, aber bei ESC-Pressekonferenzen tun sie es doch sehr laut und sehr oft: Die KünstlerInnen mögen das, sie baden in dem Regen an Beifall gern.
Die Sänger und Sängerinnen antworten so gut wie niemals wirklich mit überraschenden Sätzen. Ihre Statements laufen immer auf diese Worte hinaus: "Wien ist so schön - danke an diese Stadt für die gute Atmosphäre." Und: "Ich werde mein Bestes geben, und alle wollen gewinnen." Gern auch: "Danke für das schöne Kompliment. Das gibt mir Kraft für die nächsten Tage."
Niemals würde irgendein Künstler eine politische Frage beantworten - und es passiert nur ausgesprochen selten, dass eine politische Frage überhaupt gestellt wird. Entweder traut sich niemand oder die Moderatoren des ESC-Gastgebersenders unterbinden diese Informationswünsche mit Charme: "Wir wollen nur Fragen, die uns verbinden, nicht wahr? Also: Der Frager möchte wissen, ob Sie sich in Wien wohlfühlen." Merke: ESC ist, wenn alles sympathisch weichgespült wird.
Treffpunkt Fan-Clubs
Der Euroclub, in dem ein Großteil der Parties, Empfänge und Get-togethers stattfinden wird, öffnet für alle Akkreditierten - auch die Fans - am Sonntag, den 17. Mai. Eintritt frei! Die eigentliche Glutstelle für Fans beim ESC wird freilich das Euro Fan Café sein. Sonntag vor dem Finale wird es als Riesenlocation öffnen - und, wie man hört, es wird keine andere Musik als solche vom ESC aufgelegt. Und: Viele Stars von gestern, vorgestern und vorvorgestern werden dort auftreten. Allerdings soll es Eintritt kosten: Mit 39 Euro für den Wochenpass ist das finanziell allerdings sehr verkraftbar (für ESC-Club-Mitglieder 29 Euro).
Eintrittsfrei indes sind alle ersten Generalproben für die Semis und das Grand Final. Konkret: Montagnachmittag, Mittwochnachmittag und Freitagnachmittag ist die Show in der Stadthalle für akkreditierte Fans, Journalisten und Delegationsmitglieder zu sehen.
ESC ist 24-Stunden-Job
Jeder stellt sich meist schon vor der Abreise nach Wien seinen Plan zusammen. Alternativen zum Dasein im Pressezentrum haben viele ESC-Gastgeberstädte zwar mit starkem Engagement angeboten, aber meist wurden sie von den ESC-Gästen nicht oder nur selten frequentiert. In Düsseldorf 2011 war selbst die Kantine einer evangelischen Kirche, ausgerichtet für Fans ohne viel Geld, kein Hotspot. Der akkreditierte Fan als solcher geht von den Proben zurück ins Pressezentrum und von dort zurück zur nächsten Probe. Man fachsimpelt zwischendurch mit anderen - eine High Society des eurovisionären Beobachtertums. Und abends geht es in den Euroclub oder ins Fan Café.
Klar, es gibt für Akkreditierte auch organisierte Ausflüge, es gibt einen Stadtrundgang unter dem Regenbogen, also unter der Fahne der LGBTI-Community. Es gibt beinahe alles, was Wien an Schmuck aufzubieten hat. Sogar im ehrwürdigen Museum Leopold ist eine Ausstellung präpariert. Der Bachmann-Preisträger Tex Rubinowitz hat sich für diese vor allem den ESC-Null-Punktern gewidmet - mit besonderer Berücksichtigung des Österreichers Thomas Forstner, der 1991 mit "Venedig im Regen" diesem Verhängnis ausgeliefert war.
Public Viewings für Fans ohne Akkreditierung
Von all den Akkreditierten abgesehen, haben sich für Wien freilich viele unorganisierte Fans ohne Presseaufträge, gar ohne Clubmitgliedschaft angemeldet. Man fährt hin und verabredet sich spätestens für den Final-Samstag, hofft womöglich, an den Tagen zuvor irgendwie noch in den Euroclub oder ins Fan Café zu gelangen. Aber selbst wenn das schiefgeht, geht die Freude offenbar nicht verloren: Wien wird der eurovisionär-queere Treffpunkt Europas sein. Wer keine Hallentickets hat, mag beim Public Viewing im Eurovision Village auf dem Rathausplatz oder einer anderen Location das Finale am Samstag genießen können.
Am Sonntag wird der Fan, sofern er nicht noch ein paar Tage Ferien in Österreich macht, mehr oder weniger zufrieden nach Hause reisen. Natürlich: Im Internet müssen alle Ergebnisse studiert werden, die Punktezahlen, die Platzierungen … Gewiss ist auch: Der wirkliche Fan bucht seine Reise ins nächste ESC-Gastgeberland spätestens online am Tag nach dem Grand Final. Nach dem ESC ist für ihn - vor dem ESC.