Vesna ließen Tschechien vom ESC-Sieg 2023 träumen
Die sechsköpfige Frauenband Vesna hatte mit dem treibenden Folkpop-Song "My Sister's Crown" den tschechischen Vorentscheid ESCZ 2023 gewonnen. In Liverpool überzeugten sie das Publikum und zogen ins Finale ein.
Der Titel, der slawische Motive mit elektronischen Beats und Rap-Elementen verwebt, wurde von der tschechischen Bandgründerin Patricie Kaňok Fuxová gemeinsam mit der bulgarischen Pianistin Tanita Yanková und der ukrainischen Musikerin Kateryna Vatchenko geschrieben und wird - neben Englisch - in allen drei Muttersprachen der Autorinnen gesungen. Weitere Bandmitglieder sind die Geigerin Bára Šůstková, die russische Keyboarderin Olesya Ochepovská, die Schlagzeugerin Markéta Vedralová und die slowakische Bassistin Tereza Čepková.
(Un)politische Songlyrik vom Feinsten
Vesna wurden 2016 aus der Idee geboren, Frauenpower mit slawischer Folklore zu kombinieren. Die ursprüngliche Formation veränderte sich über die Jahre, um für den ESC in Liverpool alle bisherigen Bandmitglieder wieder auf der Bühne zu vereinen. Auch in "My Sister's Crown" geht es um die Macht der Frauen, die als Chiffre für den Zusammenhalt der slawischen Nationen gegen einen nicht genannten, aber zwischen den Zeilen klar erkenntlichen, Aggressor steht. Dass die Krone der tapferen Schwester gehört und ihr die Königinnenwürde nicht entrissen werden darf, lässt sich als Statement für eine eigenständige ukrainische Nation interpretieren, wobei in feinster (un)politscher Songlyrik auch ein Ende des Blutvergießens gefordert wird.
Erste Vorentscheidungsshow seit 15 Jahren
Wirklich spannend war das Rennen um den ersten Platz allerdings nicht: Nach der Vorstellung der Beiträge zur nationalen Vorentscheidung passierte nämlich … nichts! Denn das Ergebnis wurde in einer äußerst unspektakulären und in den Netzkommentaren verrissenen Pressekonferenz erst in der darauffolgenden Woche präsentiert. Was so klingt wie Fernsehen aus den 1970er-Jahren, sollte die erste "richtige" Vorentscheidungsshow des Fernsehsenders Česká televize (ČT) seit 15 Jahren sein. Immerhin konnten die Zuschauer ihren nationalen Beitrag selbst wählen. Wohlgemerkt: die Zuschauer im Internet, denn im eigentlichen Fernsehprogramm war die Sendung gar nicht zu sehen, nur in der Online-Mediathek von ČT und auf dem YouTube-Kanal von eurovision.tv.
Strategische Entscheidung
Bei der Abstimmung per Eurovision-App wurde ohnehin mehr auf das internationale Publikum gesetzt, denn die Stimmen der heimischen Zuschauer (so es denn eine nennenswerte Zahl gegeben haben sollte, die sich die durchgehend auf Englisch produzierte Show angesehen hat) zählten nur zu 30 Prozent. Wenig überraschend also, dass am Ende das pan-slawische Frauensextett Vesna die Nase vorn hatte, zumal sich "My Sister's Crown" in Aufmachung und Thematik an dem orientiert, was sich aus Osteuropa bei vergangenen Wettbewerben als erfolgreich erwiesen hat. Aber vielleicht ist es ja keine schlechte Strategie, gleich auf die internationale Karte zu setzen, wenn das tschechische Publikum wie 2022 statt ESC-Finale lieber das Finale von "Das große Backen" verfolgt. In Liverpool schafften es Vesna auf den den 21. von 26 Plätzen.