Estnische Nostalgie
In den bislang sechs Jahren seines Bestehens hat das estnische Vorentscheidungsformat Eesti Laul sich als durchaus sehenswerte Talentschmiede erwiesen, die immerhin zwei Top-10-Platzierungen hervorgebracht hat - beide in estnischer Sprache. In diesem Jahr jedoch scheint das finno-ugrische Idiom gegenüber dem Englischen ins Hintertreffen geraten zu sein: Aus den beiden Vorrunden konnten sich gerade einmal zwei estnischsprachige Titel ins Finale retten, obwohl sie insgesamt 50 Prozent der Beiträge stellten.
Schade, denn in musikalischer Hinsicht gab es hier einiges zu entdecken, das der musikalisch gewiss hochwertigen Abschlussveranstaltung noch ein wenig mehr Würze verliehen hätte. Die Orientierung am skandinavischen Musikmarkt und eine damit verbundene gewisse musikalische Austauschbarkeit waren nämlich nicht von der Hand zu weisen.
Keine Überraschungssieger
Das bedeutet allerdings nicht, dass Eesti Laul nicht wie gewohnt unterhaltsam und professionell inszeniert war.
Die in diesem Jahr nicht ganz so abgedrehten Einspielfilmchen präsentierten unter dem Motto "Die nackte Wahrheit" von Kindern dargestellte Erwachsenenprobleme. Auch das Pausenprogramm bot ungewöhnliche musikalische Entdeckungen, die man im Starterfeld vermisste. Alleine der Ausgang der Veranstaltung war nicht sonderlich spannend: Schon im Vorfeld waren Elina Born & Stig Rästa als Top-Favoriten gehandelt worden. Als das Duo dann mit den Stimmen von Jury und Televoting im Superfinale landete, war den beiden Sängern der erste Platz nicht mehr zu nehmen. 79 Prozent der Zuschauer, die am Ende das alleinige Sagen hatten, wählten den nostalgisch-melancholischen Titel "Goodbye To Yesterday" zum estnischen ESC-Beitrag 2015 - diesmal durchaus mit Chancen auf einen Top-3-Platz.