Aserbaidschan beklagt Informationskrieg des Westens
Seit Monaten berichten die Medien in Deutschland über die Situation in Aserbaidschan, immer wieder auch von Menschenrechtsverletzungen, von mangelnder Pressefreiheit, von Zwangsräumungen im Zusammenhang mit dem Eurovision Song Contest. Zwischenzeitlich drohte daraus ein ernsthafter diplomatischer Konflikt zu werden: Staatschef Alijew sprach von Lügenpropaganda, die aserbaidschanische Botschaft in Deutschland beklagte in einer Presserklärung eine systematische Kampagne, um dem Image des Landes zu schaden. Die Wogen wurden auf diplomatischem Wege geglättet, doch im Land geht die Diskussion weiter.
Eigentlich hat der Bakiner Markt in den kleinen Gassen der malerischen Altstadt nur am Wochenende geöffnet mit seinen Souvenirshops, Teppichhändlern und kleinen Imbissbuden. Doch jetzt, zum Eurovision Cong Contest, bieten die Händler täglich ihre Waren an. Baku ist in Feierlaune, präsentiert sich voller Stolz und wollte eigentlich gemeinsam mit allen Gästen eine große Party feiern. Viel Geld wurde investiert in Prachtstraßen, eine neue Veranstaltungshalle und Infrastruktur, über ein halbe Milliarde Euro, so schätzen Experten, in der Hoffnung, das Image des Landes aufzupolieren. Doch stattdessen hagelt es Kritik.
"Wer auf dieser Welt ist perfekt? Niemand!"
Der Vorsitzende des Komitees für internationale Beziehungen, Samad Seyidov, versteht die Welt nicht mehr: "Vielleicht sind wir heute noch nicht perfekt, aber geben Sie mir ein Beispiel: Wer auf dieser Welt ist perfekt? Niemand! Und deswegen glaube ich, dass Aserbaidschan heute sein Bestes tut, nicht nur für die Aserbaidschaner, sondern für den Rest Europas, als Teil der großen europäischen Familie."
Natürlich habe sein Land Probleme mit Korruption, mit Menschenrechtsverletzungen, aber, so gibt der Politiker der Regierungspartei zu bedenken, Aserbaidschan sei noch eine sehr junge Demokratie. Gerade mal zwanzig Jahre sei es her seit dem Zerfall der Sowjetunion und damit der Unabhängigkeitserklärung Aserbaidschans, betont Seyidov. So etwas brauche einfach Zeit, und es sei unfair, sein Land mit alten gewachsenen Demokratien zu vergleichen.
"Wenn Sie über Kundgebungen oder einige Demonstrationen sprechen, oder, wenn ich so sagen darf, über einige Zusammenstöße, die es manchmal gibt, das ist doch normal, das passiert. Gerade habe ich eine große Kundgebung gesehen gegen den NATO-Gipfel in Chicago. Aber ich verstehe nicht, was genau der Unterschied ist zwischen Schlagstöcken in den Vereinigten Staaten und Schlagstöcken in Aserbaidschan", schildert der Mann der Regierung seinen Standpunkt.
"Politische Solidarität ist notwendig"
Ein Argument, dass der Oppositionspolitiker Ilgar Mammadow, so nicht gelten lässt. Ja, es habe Zusammenstöße mit der Polizei in Chicago gegeben und das sei nicht die alles beherrschende Nachricht aus den USA gewesen und einige wenige Demonstranten Baku sorgten direkt wieder für Schlagzeilen, jedoch fügt er hinzu: "Ich denke, es ist angemessen, dass die internationale Gemeinschaft auch bei diesen kleinen Protesten genau hinschaut, weil sie völlig ignoriert werden von unseren einheimischen Fernsehanstalten und unseren einheimischen politischen Entwicklungen."
Die Hoffnung der aserbaidschanischen Menschenrechtler, der Eurovison Song Contest werde die Lage in der autoritär regierten Südkaukasusrepublik verbessern, habe sich leider nicht erfüllt, ergänzt Giorgi Gogia von Human Rights Watch: "Die Regierung hat seit 2005 keine einzige oppositionelle Kundgebung im Zentrum genehmigt, nur zwei in den Außenbezirken ohne Transportmöglichkeiten, sodass die Leute kaum dahin kommen konnten." Nach Angaben von Menschenrechtlern sitzen zurzeit rund 70 Regierungsgegner in Gefängnissen, darunter sechs Journalisten. Ilgar Mammadow wünscht sich von den westlichen Ländern daher eines: "Politische Solidarität ist notwendig - zum Beispiel haben wir erwartet, dass beim NATO-Gipfel über die demokratischen Werte in Aserbaidschan gesprochen wird, so wie es in Sachen Ukraine und Georgien geschehen ist, aber sie haben kein einziges Wort gesagt über die Demokratie in Aserbaidschan."
Iran kritisiert den Nachbarn
Kritik an dem Gastgeber des Eurovision Song Contests gab es stattdessen aus dem Iran. Die Regierung in Teheran zog ihren Botschafter aus Baku ab mit der Begründung, Aserbaidschan beleidige den Islam. Iranische Geistliche werfen dem Nachbarland vor, im Rahmen des Contests Kundgebungen von Homosexuellen erlaubt zu haben, die im Iran verboten sind. Bislang fand in Baku jedoch noch keine Schwulenparade statt.