Stand: 03.02.2015 13:52 Uhr

Tschechien: Tanzimprovisationen und Polka

Morgenstimmung auf der Karlsbrücke in Prag. © picture alliance / prisma Foto: Chmura Frank
Prag, die "Goldene Stadt", war lange kulturelles Zentrum Mitteleuropas.

Dass Tschechien und die Slowakei bis heute in einem Atemzug genannt werden, hat seinen Grund: In ihrer Geschichte standen sie immer wieder unter gemeinsamer Herrschaft, zuletzt innerhalb der Tschechoslowakei, die sich 1993 auflöste. Doch auch die kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Tschechien und seinem östlichen Nachbarn sind historisch gewachsen - und haben eigenständige musikalische Traditionen hervorgebracht.

Zweisprachige Wurzeln

Wer von Tschechien spricht, meint die beiden Landesteile Böhmen (Čechy) und Mähren (Morava). Während das im Osten gelegene Mähren ein Überbleibsel des ersten größeren slawischen Staatswesens ist, das im 10. Jahrhundert von den Ungarn zerschlagen wurde, war das im Westen befindliche zweisprachige Königreich Böhmen Teil des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Mitte des 14. Jahrhunderts galt die Hauptstadt Prag als politisches, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum Mitteleuropas und war damit Anlaufpunkt für Musiker von nah und fern. Dort wurde auch die erste deutsche Universität gegründet. Die Reformation verhalf der tschechischsprachigen Kirchenmusik zur Blüte, doch der 30-jährige Krieg bereitete dem künstlerischen Schaffen in der Volkssprache ein vorläufiges Ende.

Mährischer "verbuňk" und böhmische Polka

Nach der Gegenreformation wurden Böhmen und Mähren von Wien aus regiert und später Teil des Kaisertums Österreich. Wichtigste Zentren der tschechischen Musik blieben die Residenzen des böhmischen Landadels, der aber zusehends an Bedeutung verlor, sodass viele Musiker ins Ausland auswandern mussten. Im einfachen Volk hingegen entwickelte sich die tschechische Musiktradition fort. In Mähren beispielsweise in Form des sogenannten "verbuňk", einem kunstvoll improvisierten Tanz, der zur Rekrutierung von Soldaten diente und in ähnlicher Form auch in Ungarn existiert. Von Böhmen aus trat Mitte des 19. Jahrhunderts die Polka ihren beispiellosen Siegeszug durch die Tanzsäle Europas an und wurde zum tschechischen Musikexport schlechthin. Während in Prag parallel zum Wienerlied die volkstümlichen "Staropražské písničky" (Prager Lieder) entstanden.

Nationales Erwachen

Fröhliche Polkas im 2/4-Takt wurden auch von klassischen Komponisten wie Bedřich Smetana komponiert, die im Zuge der aufkommenden tschechischen Nationalbewegung auf der Suche nach dem typisch Tschechischen in der Musik waren. Smetana verewigte die durch Prag fließende Moldau in seiner sinfonischen Dichtung "Mein Vaterland". Zu internationaler Berühmtheit gelangte vor allem sein Kollege Antonín Dvořák, dessen Sinfonie "Aus der neuen Welt" sogar bei der ersten Mondlandung gespielt wurde. 1918 wurde Tschechien als Teil der Tschechoslowakischen Republik unabhängig. Es dauerte allerdings noch bis 1930, bis sich das Land eine eigene Schallplattenindustrie leistete. Einen ganz eigenen Musikstil hatten die Tschechen schon in den 1920er Jahren entwickelt, die so genannten Tramperlieder - eine tschechische Version der amerikanischen Bluegrass-Music, die sich bis heute größter Beliebtheit erfreut.

Coverversionen und verbotene Rockmusik

In kommunistischer Zeit wurde die heimische Schallplattenproduktion - nach der Sowjetunion die zweitgrößte im Ostblock - streng überwacht. Sie beschränkte sich neben Klassik, Volksmusik und Jazz fast ausschließlich auf tschechische Coverversionen bekannter Hits aus dem Westen. Rockmusiker waren immer wieder Repressalien ausgesetzt, und viele verbotene Platten wurden erst nach der Samtenen Revolution 1989 veröffentlicht und zu Publikumserfolgen. Bis heute ist der Hunger nach tschechischer Rockmusik groß, die in vielerlei - eher härteren - Spielarten anhaltende Erfolge feiert. Mittlerweile sind aber auch andere Genres wie Dance und HipHop gut vertreten und das alte Sprichwort "Jeder Tscheche ist ein Musikant" trifft zu wie eh und je.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2017 | 21:00 Uhr

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