Stand: 28.03.2008 14:09 Uhr

Österreich: Keine Schnulzen in Wien

Blick auf das Wahrzeichen in Wien: den Stephansdom © picture-alliance / dpa Foto: Michele Limina
Wahrzeichen von Österreichs Hauptstadt Wien ist der Stephansdom.

Angesichts der Ausdehnung der ehemaligen Donaumonarchie ist verständlich, dass im Laufe der Jahrhunderte eine Vielzahl unterschiedlichster Einflüsse in die österreichische Musik Eingang gefunden hat. Ähnlich wie in Frankreich behielt sich jedoch die Hauptstadt stets einen kulturellen Führungsanspruch vor, schließlich war Wien lange Zeit die größte Metropole im deutschsprachigen Raum. So verwundert es nicht, dass ein Großteil der modernen österreichischen Unterhaltungsmusik seinen Ursprung im so genannten Wienerlied findet.

O, du lieber Augustin

Das Lied vom lieben Augustin ("alles ist hin") gilt als erstes Wienerlied und wird dem Dudelsackpfeifer Augustin zugeschrieben, der es bereits um das Jahr 1700 verfasst haben soll. Prägend für das Wienerlied wurde jedoch nicht der Dudelsack, sondern die Harfe, die später durch die Zither ersetzt wurde. Zunächst galt die Musik der Straßensänger als derb und unschicklich, doch spätestens mit dem Erfolg der "Wiener Schrammeln" wurde das Wienerlied fester Bestandteil der österreichischen Musikkultur. Das Quartett um die Komponistenbrüder Johann und Josef Schrammel machte die volkstümlichen Wienerlieder auch in gehobeneren Kreisen populär, wo sie schon bald als "Schrammelmusik" bezeichnet wurden.

Walzer- und Operettenseligkeit

Ein Gemälde des österreichischen Komponisten und Walzerkönigs Johann Strauss aus dem Jahr 1888. © picture-alliance / dpa | Museen_Der_Stadt_Wien
Der Komponist Johann Strauß ging als Walzerkönig in die Musikgeschichte ein.

Während das einfache Volk sich in den Heurigenlokalen zur Schrammelmusik vergnügte, tanzten Adel und Bürgertum zu den Walzerkompositionen von Johann Strauß Sohn. Um die große Nachfrage nach echten Strauß-Aufführungen zu befriedigen, verpflichtete "Walzerkönig" Strauß kurzerhand seine Brüder als Kapellmeister und wurde so zu einem Vorreiter des modernen Musikmarketing. Auf Anregung des Franzosen Jacques Offenbach bettete Strauß zudem seine Walzerkompostionen in eine beschwingte Komödienhandlung ein und legte mit der "Fledermaus" den Grundstein für die goldene Ära der Wiener Operette. Als nach dem Ersten Weltkrieg von dem einstigen Habsburgerreich nicht viel mehr als ein österreichischer Rumpfstaat übrig war, blieb der Einfluss der zumeist im aristokratischen Milieu angesiedelten Wiener Operette noch lange bestehen. Ansonsten war der österreichische Schallplattenmarkt von deutschen Schlagerproduktionen dominiert.

Ö3 und der "Schnulzenerlass"

Udo Jürgens vor der Österreichischen Flagge. (Bildmontage) © Fahne: Fotolia, Quelle Künstler: picture-alliance / dpa Foto: Fahne: Juergen Priewe, Fotograf Künstler: Ducklau
1966 gewann Udo Jürgens den Eurovision Song Contest für Österrreich.

Das änderte sich 1968. Seit dem 1. Oktober 1967 war mit Ö3 das erste österreichische Radioprogramm auf Sendung gegangen, das landesweit Pop- und Rockmusik ausstrahlte. Der neue Sender, auf dem Discjockeys wie André Heller vor dem Mikro unliebsame Platten zerbrachen, tat sich schwer, die deutschen Schlager der "weichen Welle" (Roy Black, Heintje) in seinen Sendungen unterzubringen. ORF-Generalintendant und Ö3-Erfinder Gerd Bacher ordnete daher an, dass derartige Musik auf Ö3 nicht mehr gespielt werden durfte. Der "Schnulzenerlass" schlug hohe Wellen, doch die Emanzipation der österreichischen Musikszene vom großen deutschen Nachbarn war nicht mehr aufzuhalten.

Austropop

Von der deutschen Schlagerkonkurrenz nicht mehr länger behelligt, konnte sich in der Folge des "Schnulzenerlasses" eine eigenständige österreichische Musikströmung entwickeln, die sich bevorzugt in Mundart ausdrückte und als "Austropop" bezeichnet wird. In den späten 1980er-Jahren gab der Austropop auch auf dem deutschen Musikmarkt den Ton an: Unter den wenigen deutschsprachigen Titeln auf den vorderen Plätzen der deutschen Charts fanden sich überwiegend österreichische Produktionen (EAV, Falco, Rainhard Fendrich). Auch wenn es in den letzten Jahren ein wenig still um den Austropop geworden sein mag, ist sein kreatives Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft, wie die jüngsten Erfolge von Christina Stürmer zeigen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2017 | 21:00 Uhr

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