Stand: 14.03.2008 11:26 Uhr

Norwegen: Mit Beharrlichkeit zum Erfolg

Schon die Wikinger vertrieben sich die Zeit in den langen norwegischen Wintern durch gemeinschaftliches Singen und Tanzen. Für die Entstehung von Instrumentalmusik ließen die harten Lebensbedingungen allerdings nur wenig Raum. Als Norwegen 1380 unter dänische Herrschaft geriet, konnte sich mangels höfischer Kultur über 450 Jahre keine eigenständige norwegische Kunstmusik entwickeln. Auf dem Lande jedoch entfaltete sich eine reiche Volksmusikkultur.

Auf der Suche nach einer nationalen Tonsprache

Edvard Grieg © picture-alliance / Leemage
Edvard Grieg ist der wohl berühmteste norwegische Komponist.

Durch die Personalunion mit Schweden 1814 wurde Christiania (heute Oslo) als zeitweiliger Königssitz wieder zum Mittelpunkt höfischen und musikalischen Lebens. Im Zuge der europaweiten Nationalbewegungen schenkte man nun der Volksmusik große Beachtung, da man in ihr die Wurzeln einer authentisch norwegischen Kultur vermutete, die unter der dänischen Herrschaft weitgehend verloren gegangen war. Mit kühl-nüchternen Kirchentonarten oder düsterer Mollharmonik bildete die Volksmusik eine schier unerschöpfliche Inspirationsquelle, aus der sich auch der wohl berühmteste Komponist des Landes, Edvard Grieg, auf der Suche nach einem nationaltypischen musikalischen Ausdruck eifrig bediente.

Jazzinspirierte Unterhaltungsmusik

Der dominierende Einfluss der Volksmusik hielt sich bis weit in das 20. Jahrhundert. Zwar erfreuten sich auch in Norwegen fremde Modetänze großer Beliebtheit, und wie in Schweden taugte der deutsche Schlager zum Vorbild für eine zaghaft entstehende Unterhaltungsmusik, doch stets war man darum bemüht, Motive aus der nationalen Volksmusik einfließen zu lassen. Noch stärker als die schwedischen Nachbarn ließ man sich dabei von amerikanischen Vorbildern leiten, was sich in einer stark jazzinspirierten Unterhaltungsmusik niederschlug, die auch für viele norwegische ESC-Beiträge der 1960er- und 1970er-Jahre charakteristisch ist. Ansonsten lebte der vergleichsweise kleine Schallplattenmarkt zum überwiegenden Teil von norwegischen Coverversionen internationaler Hits.

Der "Bobbyschock"

Die Bobbysocks vor der Norwegischen Flagge. (Bildmontage) © Fahne: Fotolia, Quelle Künstler: picture-alliance / dpa Foto: Fahne: Juergen Priewe, Fotograf Künstler: EPA
Das Duo Bobbysocks gewann 1985 überraschend beim ESC.

Die Kampagne gegen den Beitritt Norwegens zur EWG führte 1972 zu einer Wiedererstarkung des Nationalgedankens auch auf musikalischem Gebiet. Durch die Einführung der nationalen Hitparade "Norsktoppen", in der nur norwegische Produktionen in Landessprache vorgestellt werden durften, wurde die Entstehung einer eigenständigen norwegischen Popproduktion gefördert. Der Sieg der Bobbysocks beim ESC 1985 in Göteborg erbrachte schließlich den endgültigen Beweis, dass norwegische Musik nicht auf ewig zu einem Schattendasein am Rande Europas verdammt war. Es ist sicherlich kein Zufall, dass im Anschluss Bobbysocks, oder den "Bobbyschock", wie er von norwegischen Musikwissenschaftlern bezeichnet wird, auch Musikgruppen wie a-ha ihre internationale Musikkarriere starteten.

Internationale Anerkennung

Mit dem Einzug norwegischer Künstler in die amerikanischen und europäischen Charts war der kulturelle Minderwertigkeitskomplex der Norweger (der durch die anhaltend schlechten Platzierungen beim ESC über viele Jahre immer neue Nahrung erhalten hatte) endgültig überwunden. Mit besonderer Genugtuung wurde registriert, dass viele norwegische Künstler in Schweden Karriere machten, nachdem es in der Vergangenheit meist umgekehrt war. Der kleine Markt und der Wille zu internationalem Erfolg haben allerdings dazu geführt, dass nur noch wenig Unterhaltungsmusik in norwegischer Sprache produziert wird - mit Ausnahme der traditionellen Volksweisen, die in immer neuen Variationen aufgenommen werden und sich ungebrochener Beliebtheit erfreuen.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 13.05.2017 | 21:00 Uhr

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