Irland: Europas Nummer eins
Kaum eine nationale Musik wird so sehr mit ihren keltischen Wurzeln in Verbindung gebracht wie die irische. Dabei ist gar nicht überliefert, wie die Musik der Kelten geklungen hat. In einem Streifen, der sich von Schottland über die Bretagne bis nach Nordportugal zieht, trägt die regionale Folklore allerdings sehr ähnliche Züge, sodass von gemeinsamen keltischen Ursprüngen ausgegangen wird.
Charakteristisch für die Musik der Iren war über viele Jahrhunderte die Harfe, die auch das Wappen der Grünen Insel ziert. Der Legende nach wurde die erste Harfe von dem Feenkönig Dagda geschnitzt. Ihr lieblicher Klang verlieh ihm Macht über die Seelen von Mensch und Tier und sogar über die Jahreszeiten. Ob das Instrument tatsächlich von den britischen Inseln stammt oder durch phönizische Seefahrer aus Babylon in den keltischen Einzugsbereich gelangte, ist nicht eindeutig geklärt.
Sicher ist nur, dass die Iren das Harfenspiel zu höchster Vollendung brachten. Harfenisten genossen hohes Ansehen und besaßen auch politischen Einfluss. Nach der angelsächsischen Invasion im zwölften Jahrhundert mussten die Harfenisten jedoch die Fürstenhöfe verlassen, um als fahrende Spielleute ihr Brot zu verdienen.
Verlorene und wieder auferstandene Musiktradition
Die englischen Könige sahen in den wandernden Musikern eine Keimzelle für den irischen Nationalismus und damit eine stete Bedrohung ihrer Herrschaft. 1603 ordnete Elisabeth I. an, alle Harfenisten zu hängen und ihre Instrumente zu verbrennen. Ein Großteil der mündlich überlieferten irischen Musiktradition ging auf diese Weise verloren.
Nur in den orientalisch anmutenden 'sean-nó'-Gesängen haben einige der alten Melodien überlebt. Der überwiegende Teil der heute bekannten irischen Folklore entstand erst im 17. und 18. Jahrhundert vorwiegend als Tanzmusik. Sie geht auf den 'port béil' zurück, einen rhythmischen Gesang auf häufig sinnleere Texte, der zur besseren Einprägung von Dudelsackmelodien diente.
Neben dem Dudelsack (Uilleann Pipes), der in Irland nicht mit dem Mund geblasen wird, sondern durch einem unter den Arm geklemmten Balg mit Luft versorgt wird, zählen auch Geige, Zinnflöte und Handtrommel (Bodhrán) zum heimischen Instrumentenrepertoire. Nach einer vorübergehenden Volksmusikmode in viktorianischer Zeit, wo auch die Harfe ein Revival erlebte, wurde es lange still um die heimische Folklore.
Erst Anfang der 1970er-Jahre lebte das Interesse an irischer Musik im Zuge des Fantasy-Booms wieder auf. Mittlerweile tanzen junge Iren wieder zu Reels und Jigs, und oft erlebt man, dass bei geselligen Anlässen unvermittelt jemand einen Folksong anstimmt und bis zum Schluss alle mitsingen und -spielen.
Rock, Pop und Riverdance
Durch die Verschmelzung traditioneller Musikelemente mit aktueller Rock- und Popmusik sind zahlreiche irische Bands und Solokünstler zu internationalem Ruhm gelangt. Die New-Age-Bewegung zehrt bis heute von dem irisch-keltischen Musikvermächtnis, während die nationale Tonträgerindustrie mit schmusigen Boygroups auch erfolgreichen Mainstream jenseits der Folk-Schiene produziert.
Einen der erfolgreichsten internationalen Musikexporte jedoch hat Irland nicht nur seinem kulturellen Erbe, sondern auch dem Eurovision Song Contest zu verdanken: Riverdance. Die Show um den Pausenact für den ESC 1994 wurde bislang mehr als 10.000 Mal aufgeführt und ist eines der meistverkauften Musikvideos aller Zeiten.