Die Schweiz: Das vielsprachige Land
Mit der Schweiz verbindet man spontan eine ganze Reihe schöner Dinge: Berge, Käse, Schokolade ... Wenn die Sprache allerdings auf das Jodeln kommt, verziehen viele das Gesicht: Jodeln gehört zu den wohl unbeliebtesten musikalischen Äußerungen. Dabei handelt es sich bei dem virtuosen Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme ursprünglich gar nicht um eine Gesangstechnik, sondern um ein Kommunikationsmittel. In der zerklüfteten Berglandschaft der Alpen ermöglichte das Jodeln und Juchzen die Kommunikation von Alm zu Alm.
Junge Volksmusiktradition
Was uns heute so typisch schweizerisch erscheint, galt bis ins 19. Jahrhundert als rein Tiroler Spezialität (in Frankreich heißt der Jodler daher auch "tyrolienne"). Die meisten schweizerischen Jodellieder entstanden gegen 1917 und wurden von einheimischen Gesangsgruppen als bewusste Absetzung zum Repertoire deutscher Männerchöre gesungen. Auch das schon fast in Vergessenheit geratene Alphorn erlebte erst nach 1920 seine Renaissance als "urschweizerisches" Instrument. Von den volksmusikalischen Traditionen aus älterer Zeit hat sich vor allem der "Chuereihe" erhalten, mit dem ursprünglich die Kühe zum Melken eingetrieben wurden, sowie das "Schälleschötte", das melodische Läuten von Kuhglocken.
Mangelware Klassik
Die Ländlermusik, eine aus der Volksmusik hervorgegangenen Tanz- und Unterhaltungsmusik, wurde seit den 1920er-Jahren vor allem in den Städten Mode. Bis heute ist die Ländlertradition höchst lebendig, und die volkstümlichen Musikanten treffen sich regelmäßig zu Konzerten, den so genannten Stubeten, um das junge Brauchtum zu pflegen. Klassische Klänge aus der Alpenrepublik sind dagegen rar gesät. Dies ist in erster Linie auf die weit zurückreichende demokratische Tradition des Landes zurückzuführen: Wo im übrigen Europa Komponisten an Adelshöfen ihr Geld verdienten und von Mäzenen gefördert wurden, blieben Berufsmusiker in der Schweiz lange Zeit die Ausnahme.
Abgeschottete Musiklandschaften
Dass sich die Schweiz bis heute keinen Namen als Musiknation gemacht hat, ist aber auch auf ihre kulturelle Dreiteilung zurückzuführen. Der "Röstigraben", der die Schweiz kulturell teilt, existiert auch in musikalischer Hinsicht: Für die Musik aus der Deutschschweiz kann man sich in der Romandie so gar nicht erwärmen. Sogar die Verkaufscharts werden separat erhoben. Das italienischsprachige Tessin kann mit der Musik der Deutschschweizer ebenfalls wenig anfangen und wendet sich lieber den italienischen Nachbarn zu. Der Anteil französischer und italienischer Songs in den deutschschweizerischen Charts liegt dagegen etwas höher. Wer auf Nummer sicher gehen will, plant seine musikalische Karriere daher auf Englisch.
Kunterbunte Regionalszenen
Im Gegenzug beherbergt das Land eine kunterbunte Vielfalt regionaler Musiken. In den deutschsprachigen Metropolen gibt es seit den 1970er-Jahren eine sehr lebendige Rockszene in regionalen Dialekten, in der Bundeshauptstadt pflegt man das Berner Chanson und Mundart-Rap ist aus den (deutsch)schweizerischen Charts nicht mehr wegzudenken - wilde Crossover-Projekte mit traditionellen Klängen inbegriffen. Zürich hat sich mit der Street Parade zur Technometropole gemausert und für Liebhaber des gepflegten Jazz gibt es seit 1967 das Montreux Jazz Festival. Alpenpanorama und Musik passen offenbar gut zusammen: In kaum einem Land gibt es mehr Open-Air-Festivals als in der Schweiz.