2003: Deutscher Vorentscheid in Kiel
Der "Schmach von Tallinn" folgte der "Triumph von Kiel". Nach dem 21. Platz im Vorjahr beim Eurovision Song Contest für Corinna May, hatte Komponist Ralph Siegel voreilig seinen Rückzug aus dem Grand-Prix-Business angekündigt - und es sich dann doch anders überlegt. Eine weise Entscheidung wie sich herausstellen sollte, denn sein Schützling Lou gewann den Vorentscheid mit dem Party-Song "Let's Get Happy".
Im Vorfeld taten sich Grand-Prix-Experten schwer damit, einen Favoriten im 14-köpfigen Teilnehmerfeld in der Kieler Ostseehalle auszumachen. Verschiedene Printmedien nutzten derweil die Gelegenheit im Vorfeld auf ihre Lieblinge hinzuweisen. Die Bild-Zeitung machte sich für den Kanzlerimitator Elmar Brandt stark (Die Gerd Show, "Alles wird gut"), die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schwärmte für den Jungen mit der Gitarre ("Die Seite, wo die Sonne scheint"), die "taz" ernannte die barfuß singende Senait zu ihrer Kandidatin (Titelzeile am Showtag: "Tonight Is Senait"), das Teenie-Magazin Yam! machte ordentlich Wind für Freistil ("Hörst Du meine Lieder"). Sogar das türkische Boulevardblatt "Hürriyet" unterstützte die Band Tagträumer feat. Aynur ("Living In A Perfect World"), die mit ihrem dreisprachigen Song "eine Brücke vom Christentum zum Islam schlagen" wollten.
Auch wenn mit Ralph Siegel der "Grandsigneur des deutschen Schlagers" triumphieren sollte, dominierten in diesem Jahr klassische Pop-Songs das Teilnehmerfeld. Die Arbeitsgemeinschaft des deutschen Schlagers rief im Vorfeld sogar zu einem Sendungsboykott auf, weil man nicht mit der musikalischen Ausrichtung beim Vorentscheid einverstanden war. "Let's Get Happy" der rothaarigen Lou gewann schließlich vor Beatbetrieb ("Woran glaubst Du") und der Gerd Show. Beim ESC in Riga landete Lou später auf den 12. Platz.