Vier Grazien für Wien
Es ist ja nicht so, dass kein österreichischer Mann sich für einen dieser Jobs interessiert hätte. Auch der ORF-Kommentator für den ESC, Andi Knoll, wäre geeignet gewesen, klar. Zumal er sich unsterblich gemacht hat im Angesicht des sich abzeichnenden Sieges von Conchita Wurst mit dem Satz: "Jetzt hat uns die den Schas gewonnen." Ja, Conchita Wurst hatte tatsächlich diesen "Scheiß" gewonnen - und nicht nur die halbe Männerwelt in Österreich konnte es kaum fassen. Ein Mann, der toll singt und die Kunstfigur der Dragqueen auf der Bühne gibt - und auch noch sich als würdige Erbin Udo Jürgens' erweist?
Nein, es wurde dann doch kein Mann, der heute Vormittag vom ORF in Wien präsentiert wurde als Moderator für die ESC-Shows. Es ist viel besser gekommen: Erstmals in der ESC-Geschichte wird das Festival von einem Frauentrio präsentiert - plus Conchita Wurst, die aus dem Green Room Atmosphärisches einsammeln wird.
Conchita im Green Room
Vielleicht ist das die allerbeste Entscheidung der ORF-Verantwortlichen: dass Conchita Wurst mit dem Reporterinnenjob in jenem Raum betraut wird, in dem sie selbst noch in Kopenhagen saß. Alle Halbfinal- und Finalkandidaten sitzen beieinander, haben ihre dreimütigen Shows hingelegt - und können mit ihren Teams nur noch abwarten. Wenn es schließlich zur Punktevergabe geht, werden jene Acts, denen viel Punktesegen zuteil wird, gerne gefilmt - sie lachen, sind fröhlich und gespannt.
Der Horror aber ist es für jene, die nichts oder so gut wie nichts abbekommen: Sie müssen irgendwie auch lächeln und dürfen keine schlechten Verlierer sein. Conchita Wurst hatte natürlich viel Glück im Mai in Kopenhagen - aber sie wird die dramatischen Gefühle kennen, die in dieser Hallenzone gerade aufwallen.
Die drei eigentlichen Moderatorinnen sind Mirjam Weichselbraun, Alice Tumler and Arabella Kiesbauer. Letztere, in Wien zur Welt gekommen, kennen wir aus deutschen Shows im privaten Fernsehen, zuletzt "Bauer sucht Frau" im österreichischen ATV. Alice Tumler, in Innsbruck geboren, die perfekt Französisch schon deshalb spricht, weil ihre Mutter aus dem französischen Martinique stammt, moderierte im ORF "Die große Chance". Und Mirjam Weichselbraun, ebenfalls in Innsbruck zur Welt gekommen, und zwar im Jahre 1981, moderierte auf Sat.1 mit Roger Cicero ("Frauen regier'n die Welt", deutscher ESC-Mann des Jahres 2007) im Jahre 2010 "Die Hit-Giganten", neulich im ZDF "Die große Grillshow" mit Horst Lichter.
Wohlbekannt auch aus deutschen Shows
Eine prima Mixtur, die Internationalität verströmen wird, nicht nur regionale Größe. Die zwei wichtigsten Sprachen des ESC, Englisch und Französisch, werden von ihnen unfall- und akzentfrei gesprochen werden. Ich glaube, man wird ihnen - leider, muss man sagen - nichts besonders Österreichisches im Akzent anmerken: kein Schmäh, nichts von dem, was bei uns als Weanerische Mundart so beliebt ist.
Über alle drei Moderatorinnen ließen sich jedenfalls noch jede Menge öffentlich errungene Meriten erzählen - sie sind in deutschen wie österreichischen Shows nicht nur bekannt, sondern zählen zu ihren festen Größen. Dass sie nach einem festen Drehbuch alles nur aufsagen dürfen, dass nichts spontan von ihnen geäußert wird, steht auf einem anderen Blatt: Moderationskunst besteht ja in der Fähigkeit, das vorher schriftlich zu Papier Gebrachte so in die Mikrofone zu sprechen, dass es spontan, wie eben eingefallen klingt. Auch dies wird das Trio perfekt hinbekommen.
Dass der ORF den Green Room aber von Conchita Wurst bespielen lassen wird, ist die womöglich beste Entscheidung: Der Mann, der eine Frau gibt - und die so umstritten war bei einigen, musste in die Show mit eingebaut werden. Alle Hoffnungen auf einen guten ESC haben damit zu tun, dass es ein Wiedersehen mit der Königin von Österreich geben wird: Das ist eine nette Geste zu Weihnachten.
Klasse Entscheidungen des ORF, besser hätte es nicht kommen können.