Abwegiges "Bodymonitoring" von Ann Sophies Bühnenshow
Ein sogenanntes Bodymonitoring des in Ludwigshafen ansässigen Instituts für biometrische Markt- und Sozialforschung hat die Auftritte von Ann Sophie ausführlich analysiert. Besser: Es wurde das, was für den Kern der Performances gehalten wurde, verarbeitet: Und das sind technische Fragen, also solche der Kameraführung, des Bildschnitts, der Lichteinflüsse.
Siegeslustig, aber nicht arrogant
Das analytische Verfahren, das dieses Institut nutzte, fußt nur auf dem Studium der TV-Aufzeichnungen. Was die Analysten jedoch nicht in Anschlag brachten, ist die persönliche Verfasstheit der Interpretin (oder irgendeines Interpreten) selbst. Beispielsweise: Ann Sophie hat das Clubkonzert nicht gewonnen, weil die Kameras sie vorteilhaft in Szene setzten, sondern weil sie den stärksten Willen ausstrahlte, außerdem siegeslustig, aber nicht arrogant. Freilich: Aura, Charisma, Magie - woraus sich Ausstrahlung zusammensetzt - sind mathematisch nicht messbar. Die Untersuchung also hat den entscheidenden Makel, sich nicht dem lebendigen Bühnengeschehen gewidmet zu haben: sozusagen dem subjektiven Faktor.
Übersehen wird, wer nicht souverän ist
Denn: Passend ist jemand auf der Bühne, wenn das Publikum diese Person als wohlig, angenehm und angemessen wahrnimmt. Man kann das bei allen Performances des ESC studieren: Lieder, die eigentlich gut sind und für Punkte taugen, scheitern, weil ihre Interpreten ängstlich wirken, steif und defensiv. Zustimmung erhält ein Act, der souverän wirkt - und wer dies nicht ist, wird übersehen, also nicht mit Punkten belohnt.
Wachsende Bühnensicherheit
Ann Sophies erste Probe in Wien gestern war ein Indiz für eine Theorie der wachsenden Bühnensicherheit. Sie machte alles richtig, sang vorzüglich, konnte sich gut bewegen - aber da war noch Luft nach oben. Künstler, die viel können, wissen, dass sie diesen Spielraum zum Wachsen bis zum wichtigsten Auftritt sich offen halten müssen. In der ersten Probe alles zu geben, ist nicht klug - aber viele konnten nur in den Proben super sein: Beim ESC-Finale scheiterten sie an ihren Nerven. Das Publikum spürt unmittelbar, ob jemand in sein Lied "fällt" oder ob jemand ein Lied nur darstellt.
Empfehlung aus den Stuben grauer Theorie?
Das Institut, das die besagte Untersuchung verfasste, empfiehlt Ann Sophie einen "dynamischeren Körperausdruck". Aber wäre das wirklich klug? Oder ist das nicht eine Empfehlung aus den Stuben grauer Theorie heraus? Der wichtigste Aspekt für ESC-Vorträge bleibt, was die Künstler aus ihrem Material machen - nicht hauptsächlich, was die Fernsehtechnik aus den Sängern und Sängerinnen macht.