Stand: 03.11.2016 16:05 Uhr

Abba-Comeback? Nur virtuell!

Pressebild von Abba aus den 70er Jahren, VL: Benny Andersson, Anni-Frid Lyngstad, Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus. © Picture Alliance
Ein Comeback von Abba? Fehlanzeige, sagt Jan Feddersen.

In einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur hieß es am 27. Oktober 2016: "Auf ein Comeback von Abba hoffen die Fans seit Langem. Nun kündigen die schwedischen Pop-Legenden ein gemeinsames Projekt an." Über das Wochenende erreichten mich Anfragen von Freunden, ob ich davon schon gehört hätte. Und was das alles bedeuten solle. Eine Prüfung ergab dies: nämlich nichts.

Zwar titelte die "Frankfurter Rundschau" am selben Tag verheißungsvoll: "Abba sind wieder da". Aber erstens waren sie nie weg, sie leben nicht in geheimen Quartieren wie einst Marlene Dietrich und bewegen sich auf gesellschaftlichem Parkett, nur eben nicht als Abba. Und zweitens kommen sie wirklich nicht wieder.

Ein Comeback hieße nämlich: Eine Band, die sich nach einiger Zeit trennte, spielt wieder zusammen, nimmt Musik auf, vielleicht gar ein Album - und tourt am Ende durch die Lande. Das geht mit dem Tod von John Lennon bei den Beatles schon seit 1980 nicht mehr und seitdem 2001 auch George Harrison gestorben ist, erst recht nicht. Andere Bands wollen ihren Ruhm wieder auferstehen lassen, wieder andere brauchen die Gagen und Tantiemen, um den Weg in die gemeinsame Öffentlichkeit zu finden.

Comeback aus wirtschaftlichen Gründen?

Das ist nicht ehrenrührig, scheidet aber bei den vier Schweden von Abba aus. Diese erklärten schon vor langer Zeit, nicht einmal für eine Milliarde wieder gemeinsam aufzutreten. Sie kümmerten sich stattdessen um ihre Soloprojekte: Anni-Frid macht das so, Agnetha auch. Benny und Björn waren vor allem mit dem Aufbau des Abba-Zweitverwertungsimperiums - etwa mit dem Museum in Stockholm und dem Musical - ohnehin hinlänglich und oft gemeinsam beschäftigt.

Bei der schwedischen Königsfamilie wurden sie mal gemeinsam gesehen, aber sonst? Keine Lust, die alten Zeiten waren faltenfrei, als Alte wollen sie nicht wieder performen. Wie sagte mir Björn Ulvaeus im April 2016 bei der Verleihung der Karlsmedaille in Aachen? "Die Fans sollen uns so in Erinnerung behalten, wie wir waren. Wir haben nicht mehr die Kraft, Abba wiederauferstehen zu lassen.“ Der letzte öffentliche Auftritt ist für den 16. Januar 1986 verzeichnet, eine Show für ihren Manager Stikkan Anderson unter dem Titel "Här Är Ditt Liv", in dem sie das erste von ihm produzierte Lied sangen: "Tivedshambo" - hübsch, aber auch schon nicht mehr ganz Abba.

Nur eine besondere Geschäftsidee

Der Musiker Björn Ulvaeus (Abba) posiert am 28.04.2016 in Aachen (Nordrhein-Westfalen) vor der Verleihung der Karlsmedalie an den Eurovision Song Contest. © dpa-Bildfunk Foto: Henning Kaiser
Abba möchten in Erinnerung behalten werden, wie sie einst waren, sagte Björn Ulvaeus bei der Verleihung der Karlsmedaille 2016.

Was sonst hinter der Idee, die durch die Medien geisterte, steckt? Eine Geschäftsidee, was sonst. Im "Billboard", einem Musikmagazin, sagte Simon Fuller, seines Zeichens Erfinder von "American Idol" und Manager von Künstlern wie Annie Lennox und den Spice Girls, gemeinsam mit dem Universal-Konzern habe man eine geniale Idee mit Abba.

Es gebe nämlich, so Fuller weiter, eine neue Technologie aus der virtuellen Welt, mit der man die Künstler von einst zu neuem Leben erwecken könne. Wörtlich sagte er dem Blatt: "I was imagining who would be my very first choice to work with on an extraordinary new virtual reality experience to capture the world's imagination." Und, oh Wunder, es war der hipste Kram, der sich nur denken lässt: Abba. Jene Band, deren Mitglieder alle noch leben und nicht wiederkommen wollen - aber für die eine riesige Nachfrage besteht.

Avatare, die wie Originale aussehen?

Benny Andersson ergänzte im Namen des Quartetts: "We're inspired by the limitless possibilities of what the future holds and are loving being a part of creating something new and dramatic here - a time machine that captures the essence of who we were. And are." Was übersetzt so viel heißt, wie: "Wir sind angetan von den grenzenlosen Möglichkeiten, die in der Zukunft liegen - und wir lieben, Teil davon zu sein, etwas Neues zu kreieren - eine Zeitmaschine, die das einfängt, was wir waren. Und sind."

Die Mitglieder der Gruppe ABBA: Anni-Frid, Benny, Björn und Agnetha © picture-alliance / Mary Evans Picture Library
Eine reelle Rückkehr der Kulttruppe wird es wahrscheinlich nicht mehr geben, dafür aber bald eine virtuelle.

Das ist leicht als werbesprachlicher Unfug zu lesen: Abba werden nicht als fleischliche Wesen auf die Bühne zurückkommen, aber als Avatare, als animierte Computerfiguren, mit denen eventuell Performances am Computer entwickelt werden, die auf der Bühne, für das Publikum, lebensecht aussehen. Wie Freunde von Computerspielen wissen, kann Wirklichkeit dank perfekter digitaler Technik so gezeichnet werden, dass sie "echt" aussieht. Sozusagen perfekter als die Figuren, die bei "Madame Tussauds" ausgestellt sind - Computerfiguren können eben realistischer aussehen als wächserne Modelle.

Mit anderen Worten: Der Weltunterhaltungskonzern Universal kündigt eine neue Technik an, um sie möglichst lukrativ zu verkaufen. Das ist natürlich legitim, das Leben geht weiter, und das Schellack-Zeitalter ist nun einmal vorbei. Aber von einem Abba-Comeback zu sprechen ist nicht nur verfrüht, sondern auch unrealistisch, wie es nur irgend geht. Anni-Frid, Benny, Björn und Agnetha sind Menschen älteren Kalibers - und sie werden das Gelöbnis, nicht zu Karikaturen ihrer selbst zu werden, keineswegs brechen. Aber gegen die Gage für die Nutzung ihrer Aura - gegen eine solche haben sie noch nie etwas gehabt.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 06.04.1974 | 21:00 Uhr

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