Wiederauferstehung als Ferris MC 2.0
Einen leichten Start ins Leben hatte Sascha Reimann alias Ferris MC wahrlich nicht. Der in Bremen aufgewachsene Musiker leidet seine gesamte Kindheit über unter den alkoholkranken Lebensgefährten seiner Mutter, landet bereits im Vorschulalter in einem Heim für problematische Kinder und pfeift sich schon als Teenager jede Menge Drogen rein. Nur eins rettet den labilen Querkopf vorm endgültigen Absturz: die Musik. Beim Rappen lässt er seine Aggressionen raus und seine kreative Energie findet ein Ventil.
Allen Widerständen zum Trotz kämpft sich Ferris MC durch den Sumpf und steht heute als geachteter Solokünstler und Mitglied der Kritikerlieblinge Deichkind da. Im Laufe seiner Karriere erfindet sich Sascha Reimann immer wieder neu. Im Mai 2015 probiert er wieder eine ungewohnte Rolle aus. Er ist Mitglied der deutschen Jury für den ESC in Wien.
Musik und Drogen bestimmen die Jugend
Mit 21 Jahren bringt der 1973 geborene Reimann zusammen mit Flowin Immo und DJ Pee sein erstes Album "Freaks" heraus. Das Trio nennt sich Freaks Association Bremen, kurz F.A.B., und markiert damit deutlich seine provokante Außenseiterstellung. Ferris MC hat nach einer turbulenten Schullaufbahn zwar einen Hauptschulabschluss in der Tasche und absolviert eine Lehre als KFZ-Mechaniker, doch einer Karriere als Autoschrauber steht schon allein sein heftiger Drogenkonsum entgegen. In der gerade aufkeimenden Deutsch-Rap-Szene hingegen kommen Ferris MC und seine Bandkollegen gut an. Trotzdem gibt es kein F.A.B.-Nachfolgewerk. Die Musiker trennen sich 1997, unter anderem wegen Reimanns Drogenexzessen.
Karrieredurchbruch in Hamburg
Psychisch angeschlagen zieht Reimann 1998 nach Hamburg und findet in dem Künstlerkollektiv Mongo Klikke Halt. Viele Hip-Hop-Projekte nehmen hier ihren Anfang, auch Musiker von Fünf Sterne deluxe und Absolute Beginner sind dabei. 1999 hat Ferris MC zusammen mit dem Stuttgarter Rapper Afrob seinen ersten großen Erfolg mit dem Partytrack "Reimemonster", der zur deutschen Hip-Hop-Hymne wird.
Ferris MC legt mit seinem ersten Soloalbum "Asimetrie" nach und reitet musikalisch weiter auf der Erfolgswelle. Das Album erreicht Platz 17 der deutschen Charts. Persönlich hingegen geht es bergab. Der Rapper rutscht wieder tiefer in den Drogensumpf und bekommt schwerwiegende gesundheitliche Probleme. Trotzdem bleibt er künstlerisch produktiv und bringt im Abstand von zwei Jahren weitere Platten heraus. "Fertich!" von 2001 floppt zwar, doch die Singleaukopplung "Zur Erinnerung" des nächsten Albums "Audiobiographie" (2003) wird ein Top-Ten-Hit. 2004 folgt "Ferris MC" und mit dem Best-of-Album "Düstere Legenden" zieht der rastlose Künstler einen radikalen Schlussstrich. Er hat keine Lust mehr auf Rap, auf den immer gleichen "Reime-Monsters-Style" und will auch mit den Drogen Schluss machen. 20 Jahre Dauerrausch sind genug. In einem Abschiedsvideo inszeniert Ferris MC sein eigenes Begräbnis.
Neustart als Schauspieler und Bandmusiker
Sascha Reimann beweist Stärke. Erst hört er mit den harten Drogen auf und verabschiedet sich bald auch von seinem Markenzeichen, dem Kiffen. Stattdessen probiert er neue Sachen aus. Er spielt die Hauptrolle in dem preisgekrönten Kinofilm "Für den unbekannten Hund" und wird neben anderen Produktionen auch für den "Tatort" engagiert.
Als DJ-Duo Maniax macht er zusammen mit Marc Deal Elektro- und House-Musik bis er 2008 bei der Elektro-Punk-Hip-Hop-Combo Deichkind als Ferris Hilton einsteigt. Noch im selben Jahr erscheint "Arbeit nervt". Die Komposition, an der auch Reimann beteiligt ist, wird zu einem der großen Deichkind-Hits.
Wiedergeburt von Ferris MC
Sieben Jahre lang geht Sascha Reimann voll in dem kreativen Kollektiv von Deichkind auf, dann bricht sich sein Ego wieder Bahn. 2015 feiert er seine Auferstehung als Ferris MC mit dem Album "Glück ohne Scherben" - eine Hip-Hop-Platte mit Rock- und Elektro-Einflüssen. "Die verbesserte 2.0-Version steht jetzt vor euch", beschreibt Ferris MC seine Wiederkehr im NDR-Interview. Die ersten Singleauskopplungen "All die schönen Dinge" und "Roter Teppich" sind düsterer als das, was Reimann mit Deichkind macht. Sie erinnern an alte Tage, als Musik vor allem dazu diente, Dampf abzulassen. In "Roter Teppich" brüllt Ferris MC seine Wut auf den Showbiz-Zirkus heraus und disst neben der Riege der TV-Show-Promis auch Michael Wendler, Oliver Pocher und Mario Barth.
Trotzdem ist heute alles anders als damals. Ferris MC liebt die Arbeit mit Deichkind, die er auf keinen Fall aufgeben will. Außerdem ist er glücklich verheiratet. "Ich habe viele Scherbenhaufen gesehen, bevor ich das Glück herausfiltern konnte. Jetzt habe ich viel Glück ohne Scherben. Dieses Album ist nicht aus einem Scherbenhaufen entstanden, wie viele davor", erzählt er.
"Glück ohne Scherben" wurde von Swen Meyer produziert. Der von Ferris MC hochgeschätzte Soundtüftler ist ebenfalls Mitglied der deutschen ESC-Jury 2015.