Stand: 24.03.2015 14:35 Uhr

Ähnliches, nicht Gleiches

Kaum war die österreichische Vorentscheidung verklungen, gab es in den einschlägigen ESC-Foren auch schon die klassischen Gerüchte. Und es rumort noch immer: Ist "I Am Yours" von The Makemakes womöglich ein Plagiat? Klingt es nicht so wie "The Scientist" der britischen Band Coldplay, damals mit ihrem Titel zehn Wochen in den deutschen Singlecharts?

"Euphoria" wurde "Glorious"?

Dass es in Österreich nun Plagiatsgemurmel gibt, muss bei uns nicht wundern. Denn wir kennen sie. Vor zwei Jahren war es das Lied "Glorious“ von Cascada, das als Kopie von Loreens Siegestitel "Euphoria" von Baku zu gelten habe. Unser musikwissenschaftlicher Experte, Dr. Thorsten Hindrichs von der Universität Mainz, erläuterte hierzu, dass beide Lieder ähnlich, aber nicht gleich klängen. So ist es zu verstehen: Ähnlichkeiten mögen zwischen Liedern vorhanden sein, aber das heiße noch nicht, dass sie Plagiate sind. Vielmehr bedienten sie in einem ähnlichen Stil verwandte kompositorische Muster. Und die Art des Arrangement sei nah am vermuteten Original. Aber eben nicht identisch mit diesem.

Auch Schweiz mit Plagiatsvorwurf konfrontiert

Die Schweizer ESC-Teilnehmerin 2015 Mélanie René auf der Bühne © RTS
Die Schweizer Kandidatin Mélanie René mag Beyoncé, ihr "Time To Shine" ist aber kein Plagiat.

In etwa so, wie es der eidgenössischen Wien-Chanteuse Mélanie René von der "Schweiz am Sonntag" attestiert wurde: Ihr "Time To Shine" erinnere an entsprechende Beiträge von Beyoncé, aber eben nicht mehr. Eine vage Ähnlichkeit müsse nicht mehr mit einem Copy-Paste-Verfahren zusammenfallen. Und so gibt auch der Schweizer Sender SRF Entwarnung. Jedenfalls: Mélanie René mag man eine gewisse Liebe zur US-amerikanischen Berühmtheit nachsagen, aber sie orientiert sich an einem nahen ästhetischen Entwurf - an einer Mode sozusagen, ohne zugleich von gleichem Schnitt zu sein.

Nah am Zeitgeschehen des Pop

Wir merken: Die Dinge sind kompliziert. Denn ein Plagiat muss - auch beim ESC - als solches zweifelsfrei identifiziert sein. Modische Nachbarschaften gelten natürlich nicht als Plagiatentum. Wäre es so, müsste die halbe Musikindustrie dicht machen. Schließlich orientiert sich Hitmaterial immer an dem, was eben noch gut in den Charts ging.
"En lille melodi", Dänemarks ESC-Lied von 1987 in Brüssel und performed von Anne-Cathrine Herdorf & Bandjo, erinnerte wenigstens ein bisschen mehr als flüchtig als Nicoles "Ein bisschen Frieden" aus dem Jahre 1982: Es war kein Plagiat, aber, in gewisser Weise, eine Ehre für den Komponisten Ralph Siegel, das man an sein Erfolgsrezept in Dänemark glaubte.

Vania Fernandes singt für Portugal © NDR Foto: Rolf Klatt
Vânia Fernandes musste 2008 den Plagiatsvorwurf für ihren Titel "Senhora do mar" über sich ergehen lassen.

Noch ein Beispiel: Als 2008 in Belgrad Portugals Vânia Fernandes ihr "Senhora do mar" vortrug, mochte ich es schon bei den Proben auf Anhieb. Irgendwie wollte mich das Gefühl nicht verlassen, diese schmusige Hymne in anderer Verpackung schon mal gehört zu haben. Inzwischen denke ich: Es erinnerte träge, an die schwedische Glam-Pop-Gruppe Army Of Lovers und deren Titel "Crucified" aus dem Jahre 1991. Identisch waren beide Nummer nicht.

ORF hat Songs prüfen lassen

Was The Makemakes und ihr exzellentes Popstück "I Am Yours" anbetrifft: Ja, so ähnlich hat man es schon von den Jungs von Coldplay gehört. Aber ein Plagiat? Vom ORF heißt es: Schon für die Show "Eurovision Song Contest - Wer singt für Österreich" wurden Sachverständige um Expertisen gebeten, für alle Lieder. Die sagten: Nein, nix Plagiat. "Das Ergebnis belegt, dass es sich bei 'I Am Yours' um kein Plagiat handelt. Somit sind alle Vorwürfe zurückzuweisen", so der ORF. Dem Vernehmen nach hieß es außerdem, es sei keine Schande, ein bisschen vom Stil her wie Coldplay zu klingen. Wie wahr!

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Eurovision Song Contest | 23.05.2015 | 21:00 Uhr

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