Singender Philosoph im Nerd-Style
Mit Bescheidenheit punkten - das ist dem diesjährigen Vertreter Ungarns gelungen. Eigentlich wollte er nicht einmal seinen Song beim nationalen Vorentscheid 2013 im ungarischen Staatsfernsehen einreichen. Seine Manager haben den Pop-Newcomer dennoch dazu überreden können. Und siehe da, der vor 29 Jahren im ostungarischen Fényeslitke geborene Alex Márta scheint mit seiner Ballade, der Eigenkomposition "Kedvesem", einen Nerv getroffen zu haben. Und schafft es - wie seine Vorgänger Compact Disco - bis ins Finale. Die bisherige Bestplatzierung für Ungarn (Platz vier 1994 in Dublin) kann er zwar nicht übertreffen, belegt aber einen respektablen zehnten Platz.
Kedvesem bedeutet Liebling. "Meine Liebste", so Alex in seinem lyrischen Songtext, "wurde von Wölfen aufgezogen. Sie badet in wunderschönen Meeren und läuft auf den Wolken. Winde zerzausen ihre Mähne und flechten sie morgens zu Zöpfen." Ein Hauch von Lagerfeuer, knackenden Ästen und verträumter Abendstimmung weht mit den gehauchten Worten herüber, die auf den ersten Blick nicht zur großen Eurovisionsbühne passen. Doch das ist es, was die Magyaren nach Malmö schicken.
Zahlreiche Kopien und Parodien im Internet
Beim Vorentscheid hatte die Jury den studierten Philosophen mit der Nerdbrille, dem Vollbart und den Roman-Lob-Knopfaugen nur auf Platz vier gewählt. Die Televoter hievten ihn an drei Konkurrenten vorbei auf Platz eins. Die Ballade kommt hauptsächlich mit drei Akkorden und einer Akustikgitarre aus. Vielleicht deshalb, und sicher auch wegen seines speziellen Stylings, gibt es zahlreiche Nachahmer auf YouTube, die "Kedvesem" mit Klampfe nachsingen oder kunstvoll parodieren und umtexten. In Sachen Bekanntheit kann einem Künstler kaum etwas Besseres passieren.
Lyrischer Songtext auf Ungarisch
Nach dem gewonnenen Vorentscheid verkündet der Sänger: Er wolle auch in Malmö - vielleicht bis auf einen Refrain auf Schwedisch - "den Song auf Ungarisch singen. Die Leute, die mich gewählt haben, wären sonst vor den Kopf gestoßen. Der Text hätte auf Englisch nicht dieselbe Kraft. Die meisten ungarischen Mainstream-Popkünstler werden kaum der Schönheit und Komplexität unserer Sprache gerecht." Für seinen Auftritt in Schweden arrangiert Alex zusammen mit dem DJ Zoohacker den Song leicht um, als Co-Komponist firmiert Zoltán Palásti Kovács. Der Musiker verhilft beim ESC nicht nur der ungarischen Sprache zu großer Aufmerksamkeit, sondern auch den Zeichenkünsten seiner Schwester. Von ihr stammen die bunten Cartoons, die auf die Bühne projiziert werden. Die Zeichnungen bebildern auch sein offizielles Video.
Brotjob als Journalist
Bei Interviews mit der Presse treffen Journalisten übrigens auf einen Kollegen, denn noch verdient der Sänger seinen Lebensunterhalt als Redakteur bei einem Tattoo-Magazin. Das könnte sich nach seinem guten zehnten Platz in Malmö ändern. Vermutlich wird er auch weniger Zeit für eine seiner Lieblingsbeschäftigungen haben: Lesen. Bisher verschlang der ausgesprochene Fan von Gabriel García Márquez ein Buch pro Woche. Dessen Epos "Hundert Jahre Einsamkeit" bezeichnet der Sänger als absolutes Meisterwerk. Ein gewichtiges Gegenmittel gegen die Schnelllebigkeit des Pop-Business.