Großmütter mit Hang zur ganz großen Bühne
Wie süß - sechs kleine russische Großmütter um die 70 in reizender roter Tracht auf der großen ESC-Bühne. Da könnte man sich romantisch ausmalen, wie sich der zuständige russische Fernsehsender auf die Reise in die udmurtische Pampa gemacht hat, um eine möglichst folkloristische, glaubwürdige und herzerweichend niedliche Nummer für den Auftritt in Baku zu finden. Aber ganz so war es nicht.
Die Buranowski Babuschki (zu Deutsch: Großmütter aus Buranowo) sind keinesfalls völlig überraschend aus ihrem 600-Seelen-Dorf Buranowo auf die Bühne des Vorentscheids in Moskau gestolpert. Nein, sie kannten das Spiel bereits aus dem Jahr 2010, wo sie ebenfalls im nationalen Finale standen. Damals fuhr dann aber The Peter Nalitch Band nach Oslo und holte dort einen elften Platz. 2012 nun ging es für die Omas aus Buranowo nach Baku, nachdem sie sogar Dima Bilan, der 2008 in Belgrad den bisher einzigen russischen ESC-Sieg einfuhr, ausstechen konnten. Und die Ladys nutzten ihre Chance und holten den zweiten Platz.
Modernes Marketing und nationaler Erfolg
Selbst 2010 im Vorentscheid waren die Babuschkas keine Bühnenneulinge. Seit rund 40 Jahren machen die sechs Frauen gemeinsam Musik. Sie haben eine eigene Webseite, sie twittern und sie sind im Umgang mit Journalisten nicht scheu. In Russland haben die Großmütter seit dem Vorentscheid 2010 Kultstatus, während ihre Teilnahme in den anderen ESC-Ländern eher als Überraschung gilt.
Überraschend ist auch ihr Song "Party For Everybody": In den ersten in udmurtischer Sprache gesungenen und musikalisch traditionell anmutenden Momenten des Lieds erwartet man ein Folklorestück - erst recht, weil die Damen üblicherweise mit Trachtenoutfit und Kopftuch auftreten. Aber dann setzt der Beat ein, es wird getanzt und die Sprache wechselt ins Englische. Spätestens das internationale "Boom! Boom!" hat die Zuschauer beim russischen Finale von den Stühlen gerissen. In dem Song "Party For Everybody" singen die Babuschkas davon, wie sie sich selbst und das Zuhause schön herrichten und sich freuen, dass die Kinder und Verwandten nach Hause kommen. Dann gibt es eine Party für alle und man tanzt und singt gemeinsam. Auch für den ESC ist das kein schlechtes Motto.
Singen für die Dorfkirche
Die Teilnahme der Buranowski Babuschki war also kein russisches Aschenputtelmärchen, die sechs Damen sind vielmehr schon Profis im Showgeschäft. Wenn man allerdings hört, weshalb die Babuschkas 2010 ursprünglich zum Vorentscheid wollten, wird es doch wieder ziemlich romantisch: Denn reich werden wollten sie nicht - "Großmütter brauchen keinen Ruhm und keinen Reichtum", so ein Mitglied der Gruppe. Von den Einnahmen soll eine neue Kirche für ihr Dorf finanziert werden.
Nach einem für russische Ansprüche eher mäßigen 16. Platz von Alexey Vorobyov in Düsseldorf 2011 konnten die Buranowski Babuschki mal wieder für eine Top-Ten-Platzierung sorgen. Von den bisher 15 ESC-Teilnahmen ist das Land immerhin sieben Mal unter den ersten zehn gelandet.