Andreas Kümmert: Vollblutmusiker und Anti-Star
Im Schlabberpullover steht Andreas Kümmert auf der Bühne des deutschen Vorentscheids in Hannover. Er ist nicht zurechtgemacht wie die anderen Kandidaten, hat sich keine Performance ausgedacht. Der 28-Jährige schließt einfach nur die Augen und fängt an zu singen - und das verdammt überzeugend. Das Publikum ist begeistert vom schnörkellosen Auftritt und von Kümmerts Stimme. Locker gewinnt er mit "Heart Of Stone" die Show und sichert sich damit das Ticket zum Eurovision Song Contest in Wien. Doch er freut sich nicht. Er macht das, was noch niemand vor ihm gemacht hat: Er lehnt ab. Er sei nicht in der Verfassung, die Wahl anzunehmen, erklärt er. Die Zweitplatzierte Ann Sophie sei viel geeigneter für den ESC. Verwirrung im Saal, das Publikum buht und sein Rücktritt löst eine große Diskussion in der Presse und in den Sozialen Netzwerken aus.
Unterfranke mit Anti-Starallüren
Andreas Kümmert ist so etwas wie ein Anti-Star - seine Leidenschaft gilt der Musik, nicht dem Rampenlicht. Und damit lässt sich wohl auch der Rückzieher beim deutschen Vorentscheid erklären: Der Sänger liebt es, auf der Bühne zu stehen, verabscheut aber den Rummel drumherum. Und Rummel gibt es beim ESC natürlich genug. Doch was viele Zuschauer nicht verstehen: warum der Unterfranke dann überhaupt antritt bei so einer Show, die nun einmal im Rampenlicht stattfindet.
Dabei weiß der Sänger eigentlich ganz genau, worauf er sich einlässt. 2013 sammelt er bereits Castingshow-Erfahrung. Bei "The Voice" reißt Kümmert Publikum und Jury von den Stühlen. Bereits sein erster Auftritt macht ihn zum Titelanwärter. Der Mann mit dem Rauschebart sieht zwar nicht aus wie ein typischer Casting-Star, aber er hat Musik im Blut. Das bestätigt sich auch bei allen folgenden Auftritten. Am Ende gewinnt er mit großem Vorsprung. Die Show macht den Künstler deutschlandweit bekannt.
Trotzdem bleibt der Wettbewerb ihm nicht in bester Erinnerung. Dass im Laufe der Castingshow das Interesse an seiner Person größer zu werden schien, als die Aufmerksamkeit für seine Songs, stört ihn. Wenn es die Verträge zugelassen hätten, wäre er sogar frühzeitig ausgestiegen. Dem jungen Mann geht es einzig und allein um die Musik. Die will er mit dem Publikum teilen, mehr nicht. Umso verwunderlicher, dass er 2015 wieder bei einer Talentshow mitmacht - für Andreas Kümmert sicherlich die letzte Teilnahme bei einem Format dieser Art.
Ein "normaler" Beruf kommt nicht infrage
Musik spielt schon in ganz jungen Jahren eine große Rolle. Andreas Kümmert fängt mit neun an, Schlagzeug zu spielen, mit 13 kommt die Gitarre dazu. Mit 16 gründet er die Grunge-Rock-Band Silent Cry. Er singt, spielt Gitarre und ist auch fürs Songwriting zuständig. Ein "normaler" Beruf kommt für den eigensinnigen Mann nicht infrage. Seine Welt sind die Töne und Wörter. Seit 2007 lebt er seine Talente als Solokünstler aus und tourt durch die ganze Republik. Allein von 2007 bis 2010 spielt der Vollblutmusiker mehr als 250 Konzerte in Blueskellern, Irish-Pubs, auf Wettbewerben und Festivals.
Der Sound? Retro! Kümmerts Stücke atmen den Geist der 60er- und 70er-Jahre: Blues, Soul und Rock 'n' Roll. Musik, die er schon als kleiner Junge zusammen mit seinem Vater in dessen Musikzimmer gehört hat. Die Songs von damals beherrschen auch heute noch Kümmerts Plattensammlung: Eric Clapton, Joe Cocker, Eagles, Led Zeppelin, Iggy Pop. Alben aus der heutigen Zeit gibt es kaum und das spiegelt sich auch in seinen Liedern wider.
Ein fleißiger Allrounder
2010 bringt der Singer-Songwriter ein erstes Album mit sechs Stücken heraus. 2012 erscheint sein zweites, "The Mad Hatters Neighbour". Das Allroundtalent spielt alle Instrumente selbst ein - bis auf die Bläser. Kümmerts Fleiß macht sich bezahlt. Die Lieder "Like My Daddy Said" und "Sunrise" schaffen es in die Top Ten der Amazon-Download-Charts. Und auch das nächste Album "Here I Am", das 2014 erscheint, kommt an. In Deutschland rückt es in den Charts auf Platz drei vor. Andreas Kümmert beweist damit, dass Musiker sich nicht zwingend ins Rampenlicht drängen und verbiegen müssen, um erfolgreich zu sein. Es kann auch einfach mal nur um eines gehen: die Musik.