Bequemer ORF?
Das viertel Quartal hat noch nicht begonnen, also die drei Monate der letzten Vorbereitungen zu Vorentscheidungen, da hat der österreichische ORF in Wien eine Meldung durchsickern lassen, die fast erwartet werden musste: Es wird keine Vorentscheidung für das ESC-Finale in Kopenhagen geben. Und, fast noch weniger überraschend: Conchita Wurst wird die Performerin sein, die in einer internen Entscheidung durch den ORF ohne Konkurrenz nominiert wurde. Tom Neuwirth – und das ist der echte Name der Figur, die Conchita Wurst genannt wird – ist vom Jahrgang 1988, geboren in Gmunden, Oberösterreich, trägt gepflegt mittelscheitelig gekämmte Haare, gestutzten Vollbart und läuft auf der Bühne als transisches Wesen herum. Vor anderthalb Jahren verlor dieser Künstler mit “That’s what I am”, einer alpenländischen Version von “I Am What I Am”, die Vorentscheidung für Baku. Statt Frl. Wurst konnten die beiden Jungs von Trackshittaz nach Aserbaidschan reisen. Wurst wurde damals in diversen Foren als “queer” und “anders”, als “eurovisionstypisch” oder auch “schräg” bezeichnet. Aber schon damals schrieben wir, dass die Idee, einen Mann mit ersichtlich körperlich-männlichen Zeichen in der Rolle einer Frau auftreten zu lassen, ungefähr so originell ist wie ein Udo Jürgens am Klavier, nämlich gar nicht. 2007 wurde in Dänemark DQ gewählt – und trat mit “Drama Queen” an: eine Performance voller Popzitate, mit Tuntigem und Transigem und wirklich sehr, sehr langweilig in so gut wie allem. Kam nicht mal in die Nähe der vorderen Ränge. Conchita Wurst wird es womöglich ähnlich ergehen: Viel Wind um das Projekt “Mann mit Vollbart in weiblicher Aura” wird es geben, klar, in “Conchita Wurst” ist für Boulevardzeitungen wirklich viel Material zum Aufbauschen drin, und zwar medialerseits.
Vielleicht hat es sich der ORF auch nur etwas bequem gemacht im Hinblick auf den nächsten ESC. Keine große Mühe geben, bloß inszenieren, was kaum der Inszenierung bedarf, weil das Produkt schon für sich spricht: Conchita Wurst tritt gern in trashigen Shows privater TV-Stationen auf, ist leidlich als C- bis D-Promi bekannt, eventuell gibt es eine Sonderfolge “Shopping Queen”, Dinnershows oder ähnliches. Am Ende eventuell lockt das Dschungelcamp. Das ist keine schlechte Karrierevorausschau für einen, der eigentlich weder über eine ernsthaft gute Entertainmentphantasie verfügt noch über gesangliche Fähigkeit, die dem Rumänen Cézar dieses Jahr eigen war. Conchita Wurst klingt als Name wie ein Konzept: Mach aus Müll Sondermüll und benenne das Ding mit einem exotisch anmutenden Vornamen. Etwa den nach einer spanischen ESC-Performerin aus den sechziger Jahren, Conchita Bautista eben.
Trackshittaz schnitten in Baku erwartungsgemäß schlecht ab. Viele hätten Conchita Wurst dort lieber gesehen. In Kopenhagen im Mai wird es so sein. Herzen von Fans, die glauben, ein transvestitisches Ding sei schon ein Fanal für Freiheit und Toleranz, werden ihr zufliegen. Gerecht, das!